Eine Debatte über die Sozialhilfe ist notwendig
Dass die Flüchtlinge den Anlass geben, mag unschön sein. Es läuft schon seit Längerem einiges falsch.
Das fängt ja gut an. Wer die fürwitzige Hoffnung gehegt hatte, dass die stark steigenden Kosten für die Mindestsicherung die Politik zu einer halbwegs sachlichen Auseinandersetzung über die Vor- und Nachteile der Sozialhilfe in ihrer derzeitigen Form bewegen könnten, hat sich getäuscht.
Der neue Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) ließ dem Koalitionspartner gleich einmal ausrichten, ihm „graust“vor dem ÖVP-Vorschlag, die Mindestsicherung für Familien bei 1500 Euro zu deckeln. ÖVPKlubchef Reinhold Lopatka konterte, ihm „graut“vor einem Sozialminister, der vom ersten Tag an „handlungsunwillig“sei. Gute Voraussetzungen für eine Diskussion, an der so oder so kein Weg vorbeiführt, nicht nur, weil die „Evaluierung“der 2009/10 eingeführten Mindestsicherung im Regierungspakt steht.
Theoretisch hätte die Diskussion schon 2014 beginnen müssen, als ein Rechnungshofbericht in aller Drastik offenlegte, dass das System – das eine Vereinheitlichung der Sozialhilfe in Österreich bringen sollte – völlig undurchschaubar ist. Da ein lockerer Umgang, dort Schikanen. Da das absolute Mindestmaß, dort Auszahlungen, die kinderreichen Familien im Extremfall ein arbeitsloses Einkommen in der Dimension von 4000 Euro und mehr pro Monat bescherten. Denn zur Mindestsicherung kommt ja noch einiges dazu: Familienbeihilfe etwa, oder Kinderbetreuungsgeld, oder beides. Und über allem neun Bundesländer, die mit ihren Daten lieber Verstecken spielten, als sie herauszurücken.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass das Drängen auf Reformen nun zu einem Gutteil aus den Ländern kommt. Der Grund: Die Kosten für die Mindestsicherung, die schon vor dem Flüchtlingsstrom jährlich im zweistelligen Prozentbereich stiegen, drohen davonzugaloppieren. Zehntausende anerkannte Flüchtlinge sind erst einmal auf die Sozialhilfe angewiesen – und zwar zu 100 Prozent. Das war bisher die Ausnahme: Viele Sozialhilfebezieher kommen schlicht nicht auf ein Einkommen in der Höhe der Mindestsicherung und erhalten deshalb die Differenz als Zuschuss.
Dass es die Flüchtlingskrise ist, die nun zu einer Diskussion zwingt, mag unschön sein. Geführt werden muss sie. Und selbstverständlich ist es legitim, im Zuge aller möglichen Änderungen auch über eine Deckelung nachzudenken. Es ist nun einmal so: Der Reiz, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, hält sich in Grenzen, wenn vom Lohn nach Abzug von Sozialversicherung und Steuern kaum mehr bleibt, als man über die Mindestsicherung bekommen kann.