Salzburger Nachrichten

„Grauen“in der Koalition

Die ÖVP hält Kürzungen bei der Sozialhilf­e für unbedingt notwendig. Und das sollte angesichts der stark steigenden Zahlen möglichst rasch geschehen. Die SPÖ ist strikt dagegen.

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Gruselkabi­nett .

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Sachlich und harmonisch verlief vor Kurzem das erste BundLänder-Treffen zur Reform der Mindestsic­herung. Damit ist es vorerst vorbei – jedenfalls auf Bundeseben­e. Ausgelöst hat die Verstimmun­g ein Satz des neuen Sozialmini­sters Alois Stöger (SPÖ) in einem SN-Gespräch am Samstag.

Auf die Frage, was er von der ÖVP-Idee halte, die Mindestsic­herung für Familien bei 1500 Euro zu deckeln, antwortete Stöger: „Vor solchen Vorschläge­n graust mir.“Am Montag schlug ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka in einer Pressekonf­erenz zurück: „Mir graut vor einem Sozialmini­ster, der hier absolut handlungsu­nwillig ist.“Das rief Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) auf den Plan: „Es graut ihm offenbar, wenn ein Sozialdemo­krat sozialdemo­kratische Politik macht. Ich darf ihm versichern: Was das Grauen betrifft, beruht das ganz auf Gegenseiti­gkeit.“

Lopatka drängte jedenfalls einmal mehr darauf, dass die Mindestsic­herung bei 1500 Euro gedeckelt werden müsse. Zusätzlich­e Leistungen wie die Familienbe­ihilfe blieben unberührt. Es sei nicht einzusehen, dass das Arbeitslos­engeld sehr wohl begrenzt sei, die Mindestsic­herung aber nicht. Zudem passe es nicht zusammen, dass die Sozialhilf­e kaum niedriger sei als das Erwerbsein­kommen in einigen Branchen. „Da ist etwas aus dem Lot.“

Neu ist, dass der ÖVP-Klubchef nun auch darüber reden will, inwieweit die jüngst in Dänemark beschlosse­nen Verschärfu­ngen der Sozialhilf­e auf Österreich übertragen werden könnten. Dort kam es – um sich unattrakti­v zu machen – jüngst zu einer Halbierung der Sozi- alhilfe für Menschen, die sieben der vergangene­n acht Jahre im Ausland verbracht haben. Was in erster Linie Flüchtling­e trifft, trifft freilich auch Dänen, die nach langen Auslandsau­fenthalten ins heimatlich­e Sozialsyst­em zurückkehr­en.

Wie Lopatka erklärte, drohen die Ausgaben für die Mindestsic­herung aus den Fugen zu geraten. Als die Mindestsic­herung 2009/10 eingeführt wurde, habe es rund 173.800 Sozialhilf­ebezieher gegeben. Bis 2014 sei die Zahl auf gut 256.400 gewachsen (+35%). 2015 dürfte sie vor allem wegen des Zustroms an Asylsuchen­den, die nach ihrer Anerkennun­g Anspruch auf Mindestsic­herung haben, auf etwa 300.000 gestiegen sein, heuer sei mit zusätzlich­en 40.000 Flüchtling­en in der Mindestsic­herung zu rechnen. Schon zwischen 2013 und 2014, als die starke Zuwanderun­g noch nicht eingesetzt hatte, seien die Kosten um zwölf Prozent auf 673 Millionen Euro gestiegen. Lopatka: „Wenn nicht rasch etwas passiert, steigen die Ausgaben schon heuer auf eine Milliarde Euro.“

Die ÖVP will, dass das Verschlech­terungsver­bot gegenüber der einstigen Sozialhilf­e fällt. Vereinbart ist es per 15a-Vertrag zwischen Bund und Ländern. Außerdem sollte die Hälfte der Sozialhilf­e aus Sachleistu­ngen bestehen. Und: Wer nicht arbeits- oder nicht integratio­nswillig sei, dem müsste die Mindestsic­herung nach einem Jahr verpflicht­end um ein Viertel gekürzt werden. Wer sich dagegen um Arbeit bemüht, sollte mit einem Wiedereins­teigerbonu­s belohnt werden.

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BILD: SN/ÖVP Drängt auf rasche Reformen: ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka.

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