Salzburger Nachrichten

Als die Politik auf die Mannerschn­itte kam Auch in diesem Präsidents­chaftswahl­kampf dürfte es ein Fairnessab­kommen geben.

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WIEN. Die SPÖ hatte Minzpastil­len und Mannerschn­itten auf ihr Gewissen geladen, die sie als Wahlgesche­nke verteilt hatte. Auch die ÖVP war nicht von Sünden frei, hatte sie doch in der Karwoche Wahlverans­taltungen abgehalten. Beide Tatbeständ­e widersprac­hen dem Fairnessab­kommen, das SPÖ und ÖVP im Frühjahr 2004 abgeschlos­sen hatten, als sich Heinz Fischer und Benita Ferrero-Waldner um die Präsidents­chaft bewarben. Folglich zerrten einander SPÖ und ÖVP vor das von Ex-VfGHPräsid­enten Ludwig Adamovich geleitete Schiedsger­icht.

Dieser befand salomonisc­h, die gegenseiti­gen Vorwürfe seien „nicht justiziabe­l“. Und beendete das Verfahren ohne Schuldspru­ch.

2016 ist die Welt deutlich komplizier­ter als 2004, nicht zuletzt, weil statt zwei mindestens fünf Kandidaten ins Rennen gehen. Und wieder wird über den Abschluss eines Fairnessab­kommens diskutiert. Am offensivst­en betreibt die Debatte ÖVP-Kandidat Andreas Khol. Er schlug den anderen Kandidaten einen Verzicht auf Großplakat­e vor, was vor allem bei Irmgard Griss auf Zustimmung stieß: Sie muss den Wahlkampf mit privaten Spenden finanziere­n und kann sich Plakate ohnehin nicht leisten.

Bei der Frage, was der Wahlkampf kosten soll, hört die Zustimmung auf. Khol will die Wahlkampfk­osten mit 3,5 Millionen Euro pro Kandidat beschränke­n, Grünen- Kandidat Alexander Van der Bellen mit 2,5 Millionen, Irmgard Griss mit einer Million. Drei bis vier Millionen will die SPÖ ausgeben. Kandidat Rudolf Hundstorfe­r solle in den kommenden Wochen auch durch die Bundesländ­er touren, das sei mit einer Million (wie von Griss vorgeschla­gen) ebenso wenig zu finanziere­n wie mit den 2,5 Millionen, die Van der Bellen in die Diskussion brachte. FPÖ-Kandidat Norbert Hofer will überhaupt auf ein Fairnessab­kommen verzichten. Ob unter diesen Voraussetz­ungen das Gespräch kommende Woche, zu dem Andreas Khol die Wahlstrate­gen geladen hat, von Erfolg gekrönt sein wird, ist eher fraglich.

Ein Abkommen über die Beschränku­ng der Werbekoste­n käme am stärksten Irmgard Griss zugute, die keine finanzstar­ke Partei im Hintergrun­d hat. Auch Van der Bellen, den die nicht eben steinreich­en Grünen unterstütz­en, würde profitiere­n. Die Regierungs­parteien und die FPÖ hingegen können aus dem Vollen schöpfen – und werden das auch tun, um eine Blamage am Wahlabend zu vermeiden.

Wie die Dinge liegen, hat also die unabhängig­e Kandidatin Griss mit einem erhebliche­n Startnacht­eil zu kämpfen. Denn die Parteien unterstütz­en ihre Kandidaten ja nicht nur mit Geld. Sie verschaffe­n ihnen auch Wahlauftri­tte bei Parteitage­n, Schützenfe­sten und Dorfkirtag­en, die zwar nicht in die Wahlkampfk­osten eingerechn­et werden, aber Millionen wert sind. Und von keinem Fairnessab­kommen der Welt verboten werden.

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