Salzburger Nachrichten

„Eher früher als später wird der Damm brechen“

König Abdullah: Jordanien will ohne zusätzlich­e Unterstütz­ung keine Flüchtling­e mehr aufnehmen.

- König Abdullah, Jordaniens König

König Abdullah II. von Jordanien hat vor der morgen, Donnerstag, in London beginnende­n Geberkonfe­renz für Syrien mit deutlichen Worten erklärt, dass sein Land vorerst keine syrischen Flüchtling­e mehr aufnehmen werde. „Zum ersten Mal können wir nicht mehr für sie tun“, sagte der jordanisch­e Monarch in einem Interview mit der BBC. Als wichtigste­n Grund für den Aufnahmest­opp nannte Abdullah die schlechte „psychische Verfassung“der eigenen Bevölkerun­g. Wegen der extrem hohen Flüchtling­szahlen sei „der Siedepunkt“erreicht.

630.000 Syrer haben sich beim Flüchtling­shilfswerk der Vereinten Nationen registrier­en lassen. Weitere 500.000 Menschen aus dem nördlichen Nachbarlan­d versuchen ohne die karge Unterstütz­ung der UNO (50 Cent am Tag) in Jordanien zu überleben. Viele der Kriegsflüc­htlinge arbeiten zu Dumpinglöh­nen, was zu erhebliche­n Spannungen mit den lokalen Jordaniern und Palästinen­sern geführt hat, von denen viele ebenfalls am Existenzmi­nimum leben. Auch um ihre Zukunft gehe es bei der Londoner Geberkonfe­renz, betonte König Abdullah mit Hinweis auf Bildungsun­d Gesundheit­ssystem in seinem Land, das unter der hohen Last der Flüchtling­e zu kollabiere­n drohe.

„Eher früher als später wird der Damm brechen“, warnte der Monarch. Die europäisch­en Staaten forderte er dazu auf, mehr Verständni­s für ein Land aufzubring­en, in dem jeder fünfte Einwohner ein Flüchtling sei. „Der von den Vertrieben­en erzeugte Druck ist gewaltig“, stellte Abdullah klar. Der Westen müsse daher verstehen, dass es ohne zusätzlich­e Hilfe mehr als schwierig werde, sich um weitere Syrien-Flüchtling­e zu kümmern.

Rund 16.000 Schutzsuch­ende harren bereits seit Ende 2015 unter katastroph­alen Bedingunge­n an der jordanisch-syrischen Grenze aus. Trotz internatio­naler Appelle wird ihnen die Einreise verweigert. Unter den Flüchtling­en seien Elemente der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS), der den Flüchtling­sstrom als ein „trojanisch­es Pferd“zu nutzen versuche, sagte Abdullah.

Westliche Diplomaten in Amman nehmen an, dass Jordanien seine Grenzen erst dann wieder für Flüchtling­e öffnen wird, wenn der Westen die humanitäre und finanziell­e Hilfe für das Land drastisch erhöht. Am Montag hatte die britische Hilfsorgan­isation Oxfam darauf hingewiese­n, dass die bisher zur Verfügung gestellten Mittel „bei Weitem nicht ausreichen, um der wachsenden Not in Syrien und den Nachbarsta­aten Libanon und Jordanien zu begegnen“. 8,9 Milliarden Dollar hätte die internatio­nale Staatengem­einschaft im vorigen Jahr aufbringen müssen, um die humanitäre Hilfe für die Opfer des Bürgerkrie­gs in Syrien leisten zu können. Die Hilfsaufru­fe der Vereinten Nationen seien aber „nur zur Hälfte gedeckt“gewesen. In einer Studie hatte Oxfam den „fair share“, also den gerechten Anteil, errechnet, den jedes Land gemessen an seiner Wirtschaft­skraft 2015 hätte leisten müssen. Nur 13 von 32 berechnete­n Staaten zahlten ihren „gerechten Anteil“.

„Der von Vertrieben­en erzeugte Druck auf unser Land ist enorm.“

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