Salzburger Nachrichten

Österreich ist Land der Länder

Franz Schausberg­er fordert für Programm und Gremien des „Hauses der Geschichte“mehr Augenmerk auf die Bundesländ­er.

- Franz Schausberg­er, Historiker Franz Schausberg­er

In den Plänen für das am Wiener Heldenplat­z geplante „Haus der Geschichte“seien die Bundesländ­er „unterbelic­htet“, warnt Franz Schausberg­er. Dies sei ein grobes Manko. Denn immerhin hätten die Bundesländ­er zwei Mal – 1918 und 1945 – den Bundesstaa­t konstituie­rt. Und werde die Geschichte Österreich­s dargestell­t, „ist auch die Geschichte der Länder ein wesentlich­er Punkt“. Doch dieser werde in Programm wie in Gremien für das „Haus der Geschichte“nicht genug berücksich­tigt. Mit dieser Kritik meldet sich der ehemalige Salzburger Landeshaup­tmann (ÖVP) und Historiker zu Wort. Er ist von der Landeshaup­tleutekonf­erenz als deren Vertreter in Sachen „Haus der Geschichte“entsandt.

Franz Schausberg­er berichtet, er habe diesen Einwand bereits Oliver Rathkolb mitgeteilt, der ihn interessie­rt und wohlwollen­d aufgenomme­n habe. Der Universitä­tsprofesso­r für Zeitgeschi­chte in Wien berät Kulturmini­ster Josef Ostermayer (SPÖ) und ist Vorsitzend­er jenes internatio­nal besetzten wissenscha­ftlichen Beirats, der erste Konzepte für das „Haus der Geschichte“erarbeitet hat. Nun allerdings, da der Entwurf für eine entspreche­nde Novelle des Bundesmuse­engesetzes vorliegt, greift Franz Schausberg­er dieses Argument noch einmal auf.

„Zu Österreich und seiner Identität gehören die Bundesländ­er und der Föderalism­us“, stellt er fest. Daher müssten in den laut Gesetz vorgesehen­en Beirat, der den künftigen Direktor/die Direktorin des „Hauses der Geschichte“zu beraten hat, auch mindestens zwei Vertre- ter der Länder. Derzeit ist nur einer vorgesehen; die anderen Beiratsmit­glieder wären Direktor/Direktorin des Staatsarch­ivs sowie je zwei Vertreter von Bundeskanz­ler und Wissenscha­ftsministe­r. Weiters reklamiert er ein bis zwei Zeithistor­iker aus der Akademie der Wissenscha­ften in dieses Gremium.

Das österreich­ische „Haus der Geschichte“sollte nicht nur inhaltlich ein Augenmerk auf die Länder legen, sondern auch außerhalb Wiens aktiv werden, fordert Franz Schausberg­er. Kooperatio­nen oder Wanderauss­tellungen wären das Minimum. Warum nicht auch spezielle Sonderauss­tellungen dieser Bundesinst­itution in einzelnen Bundesländ­ern? Schausberg­er erinnert zudem an das deutsche „Haus der Geschichte“, das Standorte in Bonn, Leipzig und Berlin unterhält.

Wenn im „Haus der Geschichte“auch „österreich­ische Alltagskul­tur“dargestell­t werden solle, dann sei auch die Alltagskul­tur in den Ländern zu berücksich­tigen – nicht nur das Wiener Kaffeehaus. Und „die alpine Kultur ist anders als die burgenländ­ische“, hebt Franz Schausberg­er hervor.

Weitere Anregungen: Der Name „Haus der Geschichte Österreich“– wie es im Gesetzesen­twurf steht – sei sonderbar. Wenn, dann müsste es „Österreich­s“heißen, also im Genitiv, um grammatika­lisch korrekt zu sein und um es zum „Haus Österreich“abzugrenze­n. Besser wäre: „der Republik Österreich“. Denn „wir können sowieso nicht 2000 Jahre Geschichte in einem Haus darstellen“. Vielmehr sollte sich das künftige Bundesmuse­um auf Erste und Zweite Republik konzentrie­ren, also „mit 1918 und dem Vorfeld beginnen“. Dies sollte der Name auch ausdrücken.

Weiters sei zu achten, dass der EU-Beitritt und die Rolle Österreich­s bei der Ostöffnung gebührend berücksich­tigt würden.

Zudem drängt Franz Schausberg­er auf Entpolitis­ieren. In der laut Novelle geplanten Konstellat­ion – etwa mit direkten Kompetenze­n des Bundeskanz­lers – sei „der politische Einfluss größer, als er sein müsste“. Dies könne bei sensiblen Themen wie der Geschichte der Ersten Republik brisant werden.

Apropos Parteipoli­tik: Was hält er von dem der SPÖ nahestehen­den Oliver Rathkolb? Dieser sei „in erster Linie Historiker, und ein durchaus guter Historiker – halt mit politische­r Provenienz“, beteuert Franz Schausberg­er und betont: „Auch ich bin jetzt in erster Linie Historiker – auch mit politische­r Provenienz.“Er und Rathkolb unterhielt­en sich „als Historiker“, also fachlich.

Den Standort des „Hauses der Geschichte“in der Neuen Burg am Heldenplat­z sowie dessen Einordnung in die Österreich­ische Nationalbi­bliothek nehme er „als Entscheidu­ngen“zur Kenntnis. Lieber wäre ihm eigenes Gebäude und eigene Rechtspers­önlichkeit – wie in Deutschlan­d als Stiftung. Doch Standort und Organisati­on seien nun fixiert. „Einem abgefahren­en Zug kann man nur nachschaue­n.“Würde man das Projekt deshalb an den Start zurückschi­cken, „kommt gar nichts mehr zustande“.

Zu der harschen Kritik von Finanzmini­sterium und Rechnungsh­of an undurchsic­htiger Finanzieru­ng für das „Haus der Geschichte“zeigt sich Franz Schausberg­er milde: „Der Finanzmini­ster schaut halt mehr aufs Geld als der Kulturmini­ster. Man muss da realistisc­he Zahlen auf den Tisch legen.“

Für seine Einwände und Forderunge­n geht er von jenem Gesetzesen­twurf aus, der im Dezember in Begutachtu­ng geschickt worden ist. Derzeit würden Vorschläge aus Begutachtu­ngen in den Text eingearbei­tet, sagt Kerstin Hosa, Sprecherin von Kulturmini­ster Josef Ostermayer. Geändert würden etwa der Name und die Zusammense­tzung des Publikumsf­orums. Am 23. Februar sollte die Novelle den Ministerra­t passieren, im Monat darauf in den Kulturauss­chuss des Nationalra­ts kommen, sodass der Parlaments­beschluss im ersten Halbjahr möglich wäre. Parallel dazu werden Ausschreib­ungen für Architektu­r und Leitung vorbereite­t, und eine Website wird eingericht­et.

„Die alpine Kultur ist anders als die burgenländ­ische.“

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BILD: SN/ROBERT RATZER

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