„Ich bin ein normaler Muslim“
Er war Kommunist, Atheist und kam über die Bibel zum Koran. Jetzt steht ein Bosnier vor Gericht, weil er nach Syrien gehen und für den IS kämpfen wollte. Der Angeklagte bestreitet dies.
Die Augen von fünf vermummten und schwer bewaffneten Polizei-Elitekräften sind ständig auf den Angeklagten gerichtet. „Wenn Sie zwei Meter laufen, fallen Sie sofort“, sagt der Richter, der damit die schlechten Chance eines möglichen Fluchtversuchs verdeutlichen will. „Ich bin nicht gekommen, um wegzulaufen“, antwortet der Angeklagte, der 49-jährige Fikret B., ein gebürtiger Bosnier.
Auftakt zu den vier Prozessen gegen mutmaßliche Dschihadisten im schwer bewachten, in eine Hochsicherheitszone verwandelten Grazer Straflandesgericht: Der 1992 nach Österreich gekommene Angeklagte hat laut Staatsanwaltschaft der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) beitreten wollen und zudem einen Mann für den Dschihad angeworben. Zur IS-Ideologie, einer „typisch faschistischen Ideologie mit Führerkult“(Zitat des Anklägers), soll Fikret B. über Umwege gelangt sein. Einst kommunistisch erzogen, habe sich der Atheist erst in Graz allmählich für Religion interessiert. „Zuerst bin ich zur Bibel gekommen, später erst zum Koran.“Über Bekannte, die er bei einem Deutschkurs kennengelernt habe, stieg er beim – mittlerweile aufgelösten – Glaubensverein „Furkan“ein. Ebendort sowie in einer Grazer Moschee hörte er radikale Prediger, unter ihnen auch Ebu Tejma, der mit bürger- lichem Namen Mirsad O. heißt, als „Chefideologe“gilt und am 22. Februar in Graz vor Gericht stehen wird. Eine Pilgerfahrt nach Mekka habe bei ihm „die Seele ganz aufgemacht“, führte Fikret B. weiter aus. Laut Staatsanwaltschaft soll sich der Bosnier zunehmend radikalisiert haben, seiner Frau das Tragen eines Kopftuchs vorgeschrieben und der gesamten Familie den Konsum von Fernsehen und Musik verboten haben. Die Beziehung scheiterte, es kam zu einer „religiösen Scheidung“, die Frau erhielt die Obsorge für die drei Kinder. Sehr zum Missfallen des Angeklagten. Den Vorwurf einer Radikalisierung weist der Angeklagte zurück: „Ich bezeichne mich als einen normalen Muslimen.“Und: „Ich habe niemanden zum IS geschickt und bin kein Mitglied von terroristischen Netzwerken oder Organisationen.“
Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Ihrer Meinung nach wurde B. 2014 auf dem Weg nach Syrien in der Türkei von den Behörden gestoppt. Er wurde zurückgeschickt und in Kroatien verhaftet, da bereits ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vorlag. Über Telefonüberwachung war Fikret B. den Ermittlern ins Netz gegangen.
Der Verteidiger betont, dass man seinem Mandanten nicht die gesamten Gräueltaten des IS anhängen könne. Er habe sich zwar für den Bürgerkrieg in Syrien interessiert, aber „nur ein paar Bekanntschaften“gehabt. Der Prozess wird fortgeDasamDonnerstagsetzt.