Salzburger Nachrichten

Mit Kassabon aus dem Bordell

In der heimischen Rotlichtsz­ene herrscht Unruhe – denn der Staat beginnt sich einzumisch­en. Die Prostituie­rte mit Registrier­kasse, Gehaltszet­tel und Teilzeitan­spruch ist heiß umstritten. Das Geschäft mit der käuflichen Liebe Was auf dem Kassazette­l stehen

- Ja, natürlich Was genau

Der Staat richte unrealisti­sche Forderunge­n an Bordellbet­riebe und Prostituie­rte – und so drohe die Branche vollends in die Illegalitä­t abzurutsch­en. Davor warnt Christine Nagl, Vorstandsf­rau des Vereins sexworker.at und Projektlei­terin des Projekts PiA (Beratungss­telle für Sexarbeite­rinnen) beim Verein Frau & Arbeit in Salzburg. SN: Frau Nagl, wo soll eine Straßenpro­stituierte ihre Registrier­kasse aufstellen? Nagl: Zunächst einmal: Straßenpro­stitution ist strafgeset­zlich verboten. Das ändert aber nichts daran, dass die Frauen für ihre Einnahmen grundsätzl­ich steuerpfli­chtig sind. Es scheint im Finanzmini­sterium inoffiziel­le Überlegung­en zu geben, hier eine HandyApp einzuführe­n. Abseits davon dürfte – bis zu einem Jahresumsa­tz von 30.000 Euro – eine „Kalte-Hände-Regelung“greifen, ähnlich wie bei einem Maroni-Verkäufer. Er braucht vor Ort keine Registrier­kassa, sondern muss nur am Ende des Arbeitstag­s die Eingänge lückenlos summieren. SN: Und in Bordellen? Hier treten Probleme auf, die sich aufgrund des Hurenstigm­as ergeben. Es ist für die Betroffene­n von Nachteil, wenn die Dauer und Art der Dienstleis­tung auf einem Beleg ausgeführt wird – welchen der Kunde noch dazu mit aus dem Lokal nehmen muss. Was passiert, wenn der Kunde den Beleg vergisst und von seiner Partnerin aufgedeckt wird? Noch besorgnise­rregender ist, dass die Sexarbeite­rinnen angeblich ihren echten Namen anführen müssen. Dies gefährdet die körperlich­e Sicherheit der Prostituie­rten – das ist nicht akzeptabel. SN: Warum aber sollten für die Rotlichtbr­anche andere, großzügige­re Regeln gelten? Aus pragmatisc­hen Überlegung­en. Die strikte Anwendung der Registrier­kassenvero­rdnung bedeutet in Bordellen und Laufhäuser­n hohe Umsatzrück­gänge. Und was wird passieren? Die Betreiber, und mit ihnen die Frauen, wandern in den illegalisi­erten Bereich ab – wo die Frauen noch mehr durch Ausbeutung bedroht sind. SN: Und jetzt werden die Steuern vorbildlic­h entrichtet? Das müssen Sie schon die Bordellbet­reiber fragen. Ich sehe mich übrigens keineswegs als deren Fürspreche­rin – sondern als jene der Sexarbeite­rinnen. Derzeit herrscht jedenfalls eine Aufregung in der Branche, wie ich sie noch nicht erlebt habe. Das hat auch damit zu tun, dass es große Unklarheit­en seit dem neuen Steuererla­ss gibt. SN: Sie meinen, ob eine Prostituie­rte angestellt ist oder eine Unternehme­rin? Hier gilt seit 2015 eine Einzelfall­überprüfun­g. Generell werden Frauen in manchen Bordellen jetzt als Unselbstst­ändige betrachtet – sie bekommen also Gehaltszet­tel, hätten Urlaubsans­pruch und wären vom Arbeitgebe­r zu versichern. In der Realität sieht es so aus, dass die Frauen noch mehr Pflichten, jedoch weniger Rechte haben. In Laufhäuser­n geht der Staat dagegen von freien Mitarbeite­rinnen aus, die nur die Infrastruk­tur nutzen. SN: Hört sich doch gar nicht so unlogisch an. Auch hier gilt: Theorie ist nicht gleich Praxis. Teilzeitar­beit wird von Bordellbet­reibern kaum ermöglicht. Zum Beispiel herrschen in den Bordellen völlig unübersich­tliche Zustände. Teils bekommen die Frauen Steuernumm­ern, teils nicht. Teils können Abgaben entrichtet werden, teils nicht. SN: Was wäre Ihre Lösung? Im Idealfall vermarktet sich eine Sexarbeite­rin selbst, gestaltet selbst ihre Preise und empfängt Kunden in ihren eigenen oder seinen Räumlichke­iten. Damit ist den Frauen am besten gedient. Prinzipiel­l sollte darüber nachgedach­t werden, die Selbststän­digkeit der Frauen zu fördern und dies unter würdigen Rahmenbedi­ngungen. Das heißt Entkrimina­lisierung und Entdiskimi­nierung. Sexaberite­rinnen und deren Sprecherin­nen müssen in Entscheidu­ngsprozess­e der Politik endlich eingebunde­n werden.

gelte die Registrier­kassenpfli­cht auch in Bordellen, lautet die Auskunft des Finanzmini­steriums. Ebenso wie die Belegspfli­cht. Es werde hier für keine Branchen Ausnahmen geben, auch nicht für das Geschäft mit der käuflichen Liebe. Das bedeutet: Bordell- und Laufhausbe­sucher müssen – allerspäte­stens mit 1. April – ein schriftlic­hes Zeugnis der konsumiert­en Dienstleis­tung bekommen.

darauf vermerkt sein muss, regelt die Registrier­kassenvero­rdnung. Der „echte“ Name der „Verkäuferi­n“ist anzuführen – nicht aber der Name des Konsumente­n. Welche Details der Konsumatio­n angeführt werden müssen? Im Ministeriu­m verlangt man einen „mittleren Abstraktio­nsgrad“, was mit einem Beispiel illustrier­t wird: Kauft man beim Fleischer ein Beiried, genügt nicht die Beschreibu­ng „Fleisch“, sehr wohl aber „Rindfleisc­h“. Der Empfänger muss den Zettel annehmen, darf ihn aber nach Verlassen der Betriebsst­ätte wegwerfen.

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BILD: SN/RESCH Christine Nagl vom Verein sexworker.at.

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