Flüchtlinge erst „Fachkräfte von übermorgen“
Nach ersten Erfahrungen mit Modellprojekten in Deutschland herrscht Ernüchterung.
Erst waren sie die „Fachkräfte von morgen“. Inzwischen formuliert Raimund Becker vorsichtiger, wenn es um die Jobintegration von Flüchtlingen in Deutschland geht. Schutzsuchende Syrer, Iraker und Afghanen seien wohl eher die „Fachkräfte von übermorgen“, räumte das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag ein.
Die Erfahrungen in Modellprojekten haben in Deutschland zu Ernüchterung geführt. Vor allem die mangelnden Deutschkenntnisse vieler Flüchtlinge haben sich als hohe Vermittlungshürde erwiesen. Eine führende BA-Mitarbeiterin kommt zu dem Schluss: „Es dauert zwei Jahre, bis Flüchtlinge einigermaßen Deutsch sprechen. Vorher braucht man über eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt gar nicht zu reden.“
Von den im November in Deutschland lebenden 786.000 Menschen aus Kriegs- und Bürgerkriegsländern waren 90.300 arbeitslos gemeldet, im Dezember 2014 waren es 58.100. Zugleich hatten aber auch 117.800 einen Job, wie aus dem Zuwanderungsmonitor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervorgeht. Spürbar angestiegen ist aber auch die Zahl der Hartz-IV-Bezieher aus Kriegs- und Bürgerkriegsländern: von September 2014 bis September 2015 um 75.600 auf 266.100.
Auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet damit, dass die meisten Asylberechtigten im Durchschnitt fünf bis sechs Jahre benötigen, bis sie am Arbeitsmarkt integriert sind. Zu den Ar- beitsmarktergebnissen von Flüchtlingen liegen derzeit aber nur wenige Informationen vor, heißt es im kürzlich erschienenen OECD-Leitfaden „Erfolgreiche Integration – Flüchtlinge und sonstige Schutzbedürftige“. Es sei aber „nicht ungewöhnlich“, dass Arbeitsmarkt- ergebnisse von älteren Flüchtlingen und Kriegstraumatisierten deutlich länger hinter jenen anderer Zuwanderer zurückbleiben. Einem nicht unwesentlichen Anteil mangle es an Grundkompetenzen, die für ein eigenständiges Leben in der Gesellschaft des Aufnahmelandes erforderlich seien, schreiben die Studienautoren.
Für den OECD-Migrationsexperten und Mitautor des Leitfadens, Thomas Liebig, ist entscheidend, dass es so rasch wie möglich Integrationsmaßnahmen für Asylbewerber mit hoher Bleibechance und anerkannte Flüchtlinge gibt. Der Migrationsexperte empfiehlt Österreich deshalb vor allem, die Asylverfahren zu verkürzen.