Mehr Geld für Kriegsopfer
Eine Geberkonferenz soll endlich genügend finanzielle Mittel für die Versorgung der Menschen in Syrien und seinen Nachbarländern sammeln.
Die nackten Zahlen sind bedrückend: 250.000 Tote und 1,2 Millionen Verletzte bisher. Mehr als 4,5 Millionen Menschen auf der Flucht, 13,5 Millionen dringend hilfsbedürftig. Hinter den Zahlen stehen Einzelschicksale. „Syrien ist die schwerste humanitäre Krise der Welt“, steht auf der Homepage der Geberkonferenz, zu der heute, Donnerstag, Vertreter aus rund 70 Staaten in London zusammenkommen. Deutschland ist Gastgeber mit Großbritannien, Norwegen, Kuwait und den Vereinten Nationen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird in London erwartet.
Mehr als sieben Milliarden Euro muss die Weltgemeinschaft nach UNO-Schätzungen aufbringen, um die Not der Opfer des syrischen Bürgerkriegs zu lindern, der bereits seit fünf Jahren tobt. Für Lebensmittel und Medikamente, aber auch für sanitäre Anlagen und Bildungsprogramme. Es ist schon die vierte Geberkonferenz für Syrien, die drei anderen fanden in Kuwait statt.
Voriges Jahr seien die geforderten Mittel für Flüchtlinge in der Region zu 58 Prozent zugesagt worden, sagt Ariane Rummery vom UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Aber ein Großteil des Geldes sei erst Ende des Jahres eingegangen. Immerhin hielten sich die Geberländer an ihre Zusagen, ergänzt Jens Laerke vom UN OCHA, dem Büro, das die Hilfsmittel koordiniert. 90 Prozent des versprochenen Geldes seien schließlich überwiesen worden.
Vor der Londoner Konferenz erhöhten die Hilfsorganisationen noch einmal den Druck: In einer gemeinsamen Stellungnahme forderten das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, das Kinderhilfswerk UNICEF und Save the Children knapp 1,3 Milliarden Euro für die Ausbildung von syrischen Kindern und jungen Menschen.
Oxfam will vor allem von Golf- staaten wie Saudi-Arabien und Katar höhere Beiträge. Auch die USA und vor allem Russland zahlten weniger als ihren „fairen Anteil“, hieß es. Dagegen seien Großbritannien, Deutschland und die Niederlande vergleichsweise großzügig. Doch auch die EU-Länder dürften jetzt einen großen Betrag drauflegen, denn als Flüchtlingskrise ist der Bürgerkrieg längst bei ihnen angekommen – innenpolitischer Druck ist die Folge.
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mahnte beim Weltwirtschaftsforum in Davos: Um die Massenflucht einzudämmen, müsse mehr Geld in und um Syrien zur Verfügung gestellt werden. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist überzeugt, die internationale Gemeinschaft müsse auch aus eigenem Interesse großzügig sein. „Es darf nicht noch einmal passieren, dass wie im vorigen Jahr in den Flüchtlingslagern die Lebensmittelrationen halbiert werden müssen und Menschen hungern und frieren, weil den Helfern das Geld ausgeht“, sagte er. Das war einer der Gründe dafür, warum Menschen nicht nur aus Kriegsgebieten, sondern auch aus Flüchtlingslagern flohen.
Kommen die Hilfen an? Nicht überall. UNO-Nothilfekoordinator Stephen O’Brien sagte im Dezember in Damaskus, von den 4,5 Millionen Menschen, die in schwer zugänglichen Regionen lebten, hätten 2015 gerade einmal sieben Prozent UNOHilfe bekommen. O’Brien fordert daher nicht nur Geld, sondern auch und vor allem Zugang: „Humanitäre Hilfen durchzulassen ist die Pflicht aller Parteien dieses Konflikts.“
Das betonen auch Hilfsorganisationen. „Für Ärzte ohne Grenzen ist das Problem nicht in erster Linie die Finanzierung der Projekte, sondern die Frage des gesicherten Zugangs“, sagt etwa Florian Westphal, Geschäftsführer der Organisation in Deutschland. In den von der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) kontrollierten Gebieten sei es zu unsicher, und die Regierung in Damaskus habe keine Zustimmung dafür gegeben, dass die Ärzte offiziell dort arbeiten dürfen. Immer wieder blockierten die Kriegsparteien bewusst Wege. Dass der Zugang für Hilfsleistungen zum politischen Spielball werde, sei völlig inakzeptabel, sagt Westphal.