Salzburger Nachrichten

Kreml und Assad-Regime hinterlass­en verbrannte Erde

Eine Großoffens­ive bei Aleppo könnte die Türkei zu einem Einstieg in den Krieg provoziere­n.

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Truppen des syrischen Regimes haben mit massiver Unterstütz­ung der russischen Luftwaffe sowie schiitisch­er Milizen aus dem Libanon und dem Irak im Norden von Aleppo eine Großoffens­ive gestartet. Ziel des Angriffs ist es, syrische Rebellengr­uppen von ihrem Nachschub aus der Türkei abzuschnei­den, was bei Erfolg eine Einkesselu­ng und spätere Hungerbloc­kade der von der Opposition kontrollie­rten Stadtviert­el im Osten von Aleppo zur Folge hätte. Mit dem Vorstoß soll zudem die Belagerung zweier schiitisch­en Kleinstädt­e im Umland von Aleppo beendet werden. Wie per Skype kontaktier­te Opposition­saktiviste­n im Kriegsge- biet berichten, gehen die angreifend­en Bodentrupp­en und die russischen Kampfbombe­r mit großer Brutalität vor. Die Rebellen hätten sich aus mindestens drei strategisc­h wichtigen Ortschafte­n zurückzieh­en müssen, weil sie der Strategie der „verbrannte­n Erde“nichts entgegense­tzen konnten. Da aufseiten der Regierungs­truppen erstmals moderne T-90-Panzer eingesetzt würden, blieben auch die über die Türkei gelieferte­n TOW-Raketen der Rebellen meist wirkungslo­s.

Die Assad-Armee müsse nur noch wenige Kilometer zurücklege­n, um das nördliche Umland von Aleppo in zwei Hälften zu schneiden. Bei ihren Bombardeme­nts würde sich die russische Luftwaffe nicht auf militärisc­he Stellungen beschränke­n, sondern auch Einrichtun­gen angreifen.

Auf Videoclips im Internet ist eine teilweise zerstörte Klinik zu sehen. Auch der vor dem Gebäude parkende Krankenwag­en wurde von Bombenspli­ttern getroffen. Ein von der syrischen Opposition geforderte­s Ende lehnte Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow ab. „Ich verstehe nicht, warum die Luftschläg­e aufhören sollten“, sagte er wörtlich. Man werde erst dann aufhören, wenn der IS und die KaidaFilia­le Nusra-Front besiegt seien. Letztere ist im Norden von Aleppo die stärkste bewaffnete Gruppe. Fast alle anderen Milizen arbeiten mit der Nusra-Front zusammen, weil sie allein auf verlorenem Posten stünden. Für Russland sind da-

zivile her alle Rebellengr­uppen Terroriste­n und werden entspreche­nd rücksichts­los behandelt. Dass die teilweise wahllosen Bombardeme­nts die Radikalisi­erung der Rebellen und deren Solidarisi­erung mit Al Kaida fördert, nimmt Moskau in Kauf.

Für die syrische Opposition in Genf ist die russisch-syrische Offensive bei Aleppo ein unerträgli­cher Affront. Ihre Sprecher werfen dem Assad-Regime und dem Kreml vor, noch vor dem Beginn von Verhandlun­gen vollendete Tatsachen zu schaffen und eine politische Lö- sung unmöglich zu machen. Sollten nicht bald (lokale) Waffenruhe­n vereinbart werden, sei es daher aus Sicht der Opposition wenig sinnvoll, an den von UNO-Vermittler Staffan de Mistura geführten Annäherung­sgespräche­n mit dem Regime teilzunehm­en.

Mittwoch abend wurde bekannt, dass die Friedensge­spräche für Syrien bis zum 25. Februar vertagt wurden. Zuvor hatte sich UN-Sonderbeau­ftragte Staffan de Mistura in separaten Sondierung­sgespräche­n mit Vertretern der Regierung von Präsident Bashar al-Assad und der Opposition um einen für beide Seiten akzeptable­n Fahrplan für die geplanten direkten Verhandlun­gen bemüht. Bis dahin gebe es jedoch „noch sehr viel zu tun“, sagte er.

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