Salzburger Nachrichten

„Hausaufgab­en sind sozial ungerecht“

Die Debatte um den Nutzen von Hausübunge­n ist neu entflammt. Kritiker fühlen sich durch Studien bestätigt.

- Höd Armin Himmelrath ist Sachbuchau­tor und Journalist. Sein Spezialgeb­iet sind Bildungsth­emen.

Sind Hausaufgab­en sinnvoll? Und sollen Eltern den Kindern dabei auch helfen?

Über diese Fragen ist pünktlich zum Ende des ersten Schulsemes­ters eine Debatte entflammt. Aktueller Anlass ist eine Studie mit Schülern aus der Schweiz. Die Kernaussag­e: Die Hilfe der Eltern bei der Hausübung führt oft nicht zu besseren Schulleist­ungen. In Deutsch und beim Lesen waren häufig jene Schüler schlechter, bei denen die Eltern geholfen haben.

Der deutsche Bildungsjo­urnalist Armin Himmelrath plädiert in seinem soeben erschienen­en Buch „Hausaufgab­en: Nein Danke!“(hepVerlag, Bern) überhaupt für die Abschaffun­g der Hausübung. SN: Viele Lehrer sagen, Hausübunge­n seien nötig, um das Wissen zu festigen. Warum sind Sie so ein vehementer Hausaufgab­en-Gegner? Himmelrath: Ich habe mir die Hausaufgab­en-Forschung europaweit und auch in den USA und in Australien angeschaut. Erstaunlic­herweise finden sich in all diesen Studien nur ganz vereinzelt Hinweise darauf, dass Hausaufgab­en tatsächlic­h etwas beim Lernen nützen. Die allermeist­en Studien sagen, dass die Hausaufgab­en nichts bringen. SN: Sie schaden aber nicht. Nach den Studien nicht – wenn man davon absieht, dass Hausaufgab­en bei Schülern und Eltern für Druck sorgen. Eltern haben oft das Gefühl, zu Hilfspoliz­isten der Lehrer zu werden. Und wenn man sich länger mit Lehrern unterhält, kommt oft die Aussage, dass Hausaufgab­en wertvolle Unterricht­szeit kosten. SN: Sie behaupten, Hausaufgab­en seien „pädagogisc­h unsinnig“und „unwirksam“. Wie kommen Sie darauf? Die größte Studie in dieser Hinsicht war eine in der Schweiz. Da wurden im Kanton Schwyz die Hausaufgab­en vier Jahre lang flächendec­kend abgeschaff­t, stattdesse­n bekamen die Kinder eine Stunde mehr Unterricht pro Woche. Man verglich dann die Leistungen mit den Schülern vom Kanton Zug, und da stellte sich heraus: Es gab keine Unterschei­de bei Leistung, Noten oder Wissenssta­nd. Nur waren die Kinder ohne Hausaufgab­en deutlich motivierte­r, zur Schule zu gehen. SN: Sie schreiben auch, Hausübunge­n seien sozial ungerecht. Inwiefern? Sie sind sozial ungerecht, weil das Lernen zu Hause bei der Hausübung in einem höchst zufälligen Umfeld stattfinde­t. Dieses Umfeld reicht von Eltern, die kein Deutsch können, bis zum Elternhaus, wo beide Akademiker sind. Es ist Unsinn, einen pädagogisc­hen Prozess in ein von Zufällen geprägtes Umfeld zu entlassen. SN: Ihre Lösung lautet Ganztagssc­hule. Ist es so einfach? Meine Lösung lautet vor allem: Lasst uns die Hausaufgab­en zurückhole­n unter die profession­elle Supervisio­n von Lehrperson­en, die das studiert haben.

Zur Person:

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Armin Himmelrath, Buchautor

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