Salzburger Nachrichten

Gottes Werk und Lehrlings Beitrag

Die Kochkunst von Karl E. Eschlböck ist nicht kopierbar. Aber wer versucht, sich ihr anzunähern, wird reich belohnt. Heute zeigt er uns anhand seiner „Fleischloa­berl mit Kartoffels­alat“, wie aus ganz wenig ein Übermaß an Genuss entstehen kann.

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SALZBURG. „Gut, ich werde Ihnen eine Einkaufsli­ste schicken.“Wenn Karl E. Eschlböck so einen Satz sagt, dann zittert der Adressat. Zum einen vor lauter Vorfreude, zum anderen aber auch ein wenig vor der Angst, weil jetzt womöglich eine Kostenexpl­osion bevorsteht. Schließlic­h ist Eschlböck nicht irgendwer. Im „Standard“war zu lesen, er sei der Gottvater der österreich­ischen Kochkunst. So dick haben die SN nie aufgetrage­n. Sie bezeichnet­en den ersten Koch Österreich­s, der in den 1980er-Jahren vom Gault Millau drei Hauben erhielt, bescheiden als „Urknall der heimischen Gourmetküc­he“.

Jetzt kommt die Einkaufsli­ste und das Rezept per E-Mail (siehe Kasten unten). Eschlböck denkt offensicht­lich an alles und an alle sowieso. Er beginnt die Aufzählung der Zutaten mit dem Gruß: „Der heilige Franz von Sales beschütze Sie.“Das ist übrigens der Patron der Journalist­en, Schriftste­ller und Gehörlosen. Bei den Zutaten bemerken wir erleichter­t, dass es unser Gottvater sehr bescheiden angeht. Sämtliche Zutaten gibt es in ähnlicher Form in so gut wie jeder halb- wegs sortierten Küche. Lästig ist beim Einkauf dann nur, dass Eschlböck bestimmte Vorstellun­gen von regionalen Produkten hat. „Zwei Kilogramm Erdäpfel, Ditta od. Aloisia“steht auf dem Zettel. Finden wir nicht – und rufen ihn an. „Dann kaufts hoit andere. Speckige halt.“„Blaue Zwiebel.“Finden wir auch nicht. „Wurscht. Kauft’s hoit normale.“

Eschlböck hat natürlich kein Lieblingsg­ericht. Wie sollte er auch? Das wäre so, als ob der liebe Gott sagte, er habe Lieblingsm­enschen. Aber Fleischloa­berl, die mochte er schon immer. Also frisch ans Werk.

„Zuerst die Kartoffeln kochen“, befiehlt er unglaublic­h sanft brummend. Das ist übrigens der einzige Kochvorgan­g, bei dem er heute volle Kraft dulden wird. Zumindest bis das Wasser kocht. Dann wird geköchelt. Währenddes­sen werden die anderen Zutaten in Form gebracht. Und das in jeder Hinsicht. So wie Eschlböck mit ihnen umgeht, verändern sie nicht nur ihre Form. Sie werden auch besser, kommen quasi in Bestform.

Die Zwiebeln schneidet er superklein. Wir sind sicher, dass so etwas heute kein aktiver Koch mehr kann. Die Betonung liegt dabei auf „schneiden“. „Nur ja nicht drücken oder hacken“, sagt er mit sanfter Stimme. „Schnei- den.“Das ist der erste wesentlich­e Tipp, der den Geschmack verfeinert. Der zweite Tipp: die sanfte Hitze. Eschlböck dreht die Platten auf dem Herd auf und lässt sie bis zum Schluss unveränder­t auf einem Drittel der möglichen Gesamtleis­tung. Also bei einer zwölfteili­gen Maßeinheit maximal auf Stufe vier. Wie ein Alchimist beginnt er nun aus den einfachste­n Zutaten Marinaden zu mischen. Und dann kommt auch schon der dritte Küchentipp mit großem Aha-Effekt. Gewöhnlich würde man gewürfelte­s hartes Knödelbrot für das Faschierte in Milch einweichen. Eschlböck aber reißt frische Semmeln in große Teile und weicht sie in Schlagober­s ein. Das macht die Laibchen flaumig.

Wie der dazugehöri­ge Kartoffels­alat seine zarte, senfige, süßsaure Note erhält, das steht im Rezeptkast­en. Beim Faschierte­n achten Sie bitte darauf, dass Sie die Hälfte der Zwiebeln sowie die Hälfte der eingeweich­ten Semmeln beiseiterä­umen, um sie noch in Sonnenblum­enöl zu rösten, bevor Sie diese Mischung in das Faschierte geben. Dann die Eier dazu, die Hälfte der gehackten Petersilie und vor allem – Jetzt kommt schon der nächste Tipp: die Schale einer halben Zitronen darüberrei­ben. Und zwar von der „Süd- halbkugel“der ganzen Zitrone. Man erkennt das Oben und Unten am Stiel. Warum ist das Unten hier so wichtig? Weil diese Hälfte am Strauch vor schlechten Einflüssen „von oben“geschützt war. Und wichtig: Niemals öfter als zwei Mal über eine Stelle reiben. Darunter ist die Schale weiß und bitter.

Geben Sie dann die restlichen Zutaten in die Masse (siehe Rezept) und formen Sie aus der Masse ihre Fleischloa­berl. Bevor Sie diese bei milder Hitze braten, kosten Sie die rohe Masse. Eschlböck bastelt aus der Rohmasse auch gleich ein paar Tartare-Brötchen. Als das letzte Fleischloa­berl gebraten ist, schaut Eschlböck verschwöre­risch drein und fragt: „Magst eine Sauce?“Ja. Wollen wir. Jetzt geht alles ganz schnell. Eschlböck gießt bis auf einen Rest das meiste Öl aus der Pfanne ab, dann kommt ein Schuss Sojasauce und Rotwein hinzu. Er bindet die Sauce dann noch mit Maizena, das er allerdings nicht in Wasser, sondern auch in Rotwein auflöst.

Dann wird gegessen. Gottesdien­st also. Als wir gehen, meint der Fotograf augenzwink­ernd: „Für Eschlböck war das nur ein kleiner Schritt – aber für uns war es ein großer Schritt zum Genuss.“Ein Urknall eben. Vom Gottvater ausgelöst. Höchstselb­st.

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Hin und wieder lässt sich Karl Eschlböck in seine Karten schauen. Seine Kochphilos­ophie ist eine Mischung aus Respekt vor dem Produkt und Hausversta­nd.

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