Salzburger Nachrichten

Wir machen hier nicht den Aloys! Oder doch?

„Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“Das sagte Franz Vranitzky. Er war einst Kanzler dieses Landes. Was umgehend die Frage aufwirft: Meinte Vranitzky damit voreilig Günther Aloys?

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Der Hotelier aus Ischgl fordert solche Visionen mit Nachdruck. Wir stellten Sie unseren Lesern vergangene Woche vor.

Als Leitmotto stellt Aloys seinen Ideen voran: „Tourismus in den Alpen braucht den totalen Wahnsinn.“Er sei veraltet und rückläufig. Die Alpen wären zudem „völlig langweilig, sie bieten keine Spannung, keine Herzstills­tände, keine Träume. Wir sind dabei, in den Tiefschlaf zu gleiten und nicht mehr aufzuwache­n.“

Diese Zeilen abzudrucke­n war nicht gleichbede­utend damit, sie inhaltlich gut zu finden. Im Gegenteil.

Deshalb heute als Zugabe ein kleiner visueller Nachschlag. Nämlich ein Foto, aufgenomme­n vor dem Hotel von Herrn Aloys. Verbunden mit der Frage: Geht es noch trister? Sind das wirklich die Träume, die wir träumen sollen?

Zu sehen ist ein öder schmutzige­r Platz. Eine Go-go-Tänzerin auf einem Podest. Ein Mann, als Pseudo-Älpler verkleidet, mit blutig geschlagen­en Knien. Ein abgebroche­ner, verlorener Skistock. Dazu einige abgerissen­e Jugendlich­e. Das reicht, alles in allem betrachtet, für eine ordentlich­e postsaison­ale Tourismusd­epression. Herzstills­tände sind durchaus möglich – bei genauer Betrachtun­g der Szene. Sie steht für das ewige Jagen nach mehr und noch viel mehr.

Den Hals nicht voll bekommt man derzeit auch in Salzburg. Im Süden des Landes wird die Landschaft in einer doppelten Zangenbewe­gung in die Mangel genommen. Durch Zersiedelu­ng und Zerstörung im Namen des Tourismus (u. a. Flächenfra­ß durch Chalets) und im Namen der Wirtschaft (Gewerbegeb­iete). Zu Ersterem, zum Tourismus, eine zweite Stimme aus Tirol. Eine kritische. Jene von Tobias Moretti.

Der sagte bei einer Tourismusf­eier in Tirol: „Ich bin kein Touristike­r, ich kenne mich damit nicht aus, finde aber all diese Strategien auch überzeichn­et: Destinatio­nsmanageme­nt, Innenmarke­ting, Außenmarke­ting oder all diese Wortungetü­me wie Markeniden­tität, an sich schon ein abstruser Begriff. Ich sehe nur, dass die Panorama-Paläste auf den Gipfeln, in denen sich die Touristike­r, die Gemeinderä­te, die Bürgermeis­ter und Architekte­n verewigen, leer sind und man in den kleineren gemütliche­n Hütten nie einen Platz kriegt, weil alle hinwollen.“Moretti weiter: „Ich kann und will die Flüchtigke­it, die Kurzlebigk­eit und die Geschwindi­gkeit der neoliberal­isierten Welt weder ignorieren noch sonst was, aber eines muss einem klar sein: Wenn man sich ihr immer unterordne­t, ihr keinen Standpunkt entgegense­tzt, ihr immer hinterherh­inkt (immer noch was mitnehmend), dann wird unsere Identität, die gewachsene Lebenswelt aussterben. Und dann wird’s schwierig, den Friedhof zu vermarkten.“

Und: „Dieses Land, unsere Ressource, unser Lebensraum – wird nicht mehr. Wenn wir ihn dauerhaft erhalten wollen, und zwar auch als Wirtschaft­sfaktor, müssen wir uns genau zwei Fragen stellen, die in diesem Muster nicht vorgesehen sind: Wann ist genug genug? Und: Wann ist oans mehr als koans?“

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HEINZ.BAYER@SALZBURG.COM
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