Zurück nach Griechenland
Immer mehr Flüchtlinge sitzen in Griechenland fest. Athen gibt Österreich zumindest eine Mitschuld – und beruft seine Botschafterin aus Wien ab.
Der Gesprächsstoff wäre den EU-Innenministern auch ohne die diplomatische Verstimmung zwischen Österreich und Griechenland gestern, Donnerstag, in Brüssel nicht ausgegangen. Auf der Tagesordnung stand die Flüchtlingskrise. Die Hauptbotschaft vieler Teilnehmer: keine nationalen Alleingänge mehr.
Einen solchen Alleingang wirft vor allem die griechische Regierung Österreich vor. Die Obergrenze für die Annahme von Asylanträgen dürfte auf Kosten Griechenlands gehen. Die Regierung Tsipras fürchtet zu Recht, der letzte Stein bei dem von Österreich geplanten Dominoeffekt der Grenzkontrollen zu werden. Sprich, zur Sackgasse für Flüchtlinge. Öl ins Feuer gossen das heimische Innen- und Außenministerium in dieser Woche mit dem Verzicht auf die Einladung eines griechischen Vertreters zur Konfe- renz mit den Ländern des Westbalkans in Wien. Auch Bundespräsident Heinz Fischer zeigte sich „überrascht, dass Griechenland nicht dabei war“. Seit gestern, Donnerstag, ist der Streit um eine Facette reicher: Athen rief seine Botschafterin in Wien zurück nach Hause. Man wolle über die „Wahrung freundlicher Beziehungen zwischen den Staaten und Völkern Österreichs und Griechenlands beraten“, hieß es in einem Statement aus Athen. Die EU müsse vor „einigen Beteiligten geschützt werden, die historisch ahnungslos sind“. Die großen Probleme der EU könne man nicht durch Denken und Handeln, das im 19. Jahrhundert wurzle, lösen. Auf konkrete Aktionen Österreichs ging das griechische Außenministerium in seiner Erklärung allerdings nicht ein.
Die Reaktion des österreichischen Außenministeriums fiel kühl aus. Es stehe jedem Land frei, seinen Botschafter abzuziehen. Man hoffe auf ein Umdenken. „Wir sehen eine Chance, dass die Botschafterin die griechischen Verantwortlichen über die Situation und Herausforderungen für die Zielländer der Flüchtlingsroute, wie Österreich, informiert“, hieß es. Ähnlich reagierte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Die griechische Botschafterin könne nun direkt in Athen über die Situation in Österreich informieren. „Offenbar kommt Bewegung hinein“, meinte sie. Kritik an den österreichischen Maßnahmen habe es beim Treffen mit ihren Amtskollegen laut MiklLeitner nur von Griechenland gegeben. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière zeigte sich aber auch wenig begeistert vom Vorgehen Österreichs, vor allem in Hinblick auf die Konferenz mit den Westbalkanländern. Es sei eine „gemeinsame Organisation des Durchwinkens verabredet“worden, die nicht vereinbar sei mit den Beschlüssen des EU-Gipfels. Demnach soll die Politik des Durchwinkens beendet werden, sagte er in Brüssel. De Maizière zeigte Verständnis für die „schwierige Lage“der Regierung in Athen. Er sagte aber auch: „Griechenland hat es uns in der Vergangenheit auch nicht besonders leicht gemacht.“Mit dem Abzug seiner Botschafterin aus Wien betritt Griechenland übrigens kein politisches Neuland. In der Eurokrise hatte Athen seinen Vertreter aus Prag abgezogen, weil Tschechien gegen Athen gewettert hatte.