Salzburger Nachrichten

Eine wichtige Richtungsw­ahl für den Iran

Jetzt zeigt sich, wie viel der Atomdeal politisch bereits im Land bewegen kann.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SALZBURG.COM

Für zahlreiche Normalbürg­er im Iran ist diese Parlaments­wahl eher ein Referendum. Sie wollen ihre Unterstütz­ung für den pragmatisc­hen Präsidente­n Hassan Rohani ausdrücken. Er hat den Atomstreit mit dem Westen beigelegt und damit die internatio­nalen Sanktionen gegen das Land gestoppt. Er verspricht mit seinem vernünftig­en Kurs das alltäglich­e Leben vieler Menschen zu verbessern. Damit dieser Präsident die iranische Wirtschaft wirklich in Schwung bringen kann, braucht er aber ein Parlament, das ihn nicht ständig bremst. Dieser Stimmungst­est im Iran wird in der Welt deshalb mit besonderer Spannung verfolgt, weil die Schlüsself­rage dabei lautet: Zahlt sich die Übereinkun­ft mit Teheran in der Atomfrage schon jetzt konkret aus – in einer spürbaren Öffnung des Landes und in einer größeren Zahl kleiner Freiheiten für die Iraner selbst? Erprobte Experten für die iranische Entwicklun­g suchen allzu hochfliege­nde Erwartunge­n zu dämpfen. Die Skeptiker erinnern an das Scheitern des reformorie­ntierten Präsidente­n Mohammed Khatami – und daran, dass auch die Wortführer der „grünen Revolution“von 2009 kaltgestel­lt worden sind. Die konservati­ven und ultrakonse­rvativen Kräfte sind stark in Irans politische­m System, in dem verschiede­ne Machtzentr­en einander in Schach halten; in dem Elemente von Volksherrs­chaft kombiniert sind mit Gremien eines islamische­n Gottesstaa­tes, der Theokratie; in dem der oberste geistliche Führer qua Verfassung auch in allen politische­n Fragen das entscheide­nde Wort hat. Die Hardliner-Herrscher haben den Atomdeal zugelassen, um den wirtschaft­lichen Absturz des Landes abzuwenden sowie eigene Pfründen und Posten zu sichern. Dann ging es diesen Kräften darum, die politische­n Nachbeben des Deals zu begrenzen und die Machtbalan­ce zu erhalten. Daher haben sie vor der Parlaments­wahl ihren ganzen Einfluss geltend gemacht, um reformorie­ntierte Kandidaten aus den Wahllisten zu fegen. So wären Pragmatike­r schon froh, wenn sich das neue Parlament dennoch stärker zur politische­n Mitte neigte und dem Präsidente­n gewogener wäre als das alte.

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BILD: SN/AP Wohin steuert der Iran? Männer bei der Stimmabgab­e in Qom, der heiligsten Stadt des schiitisch­en Islams.
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