Eine wichtige Richtungswahl für den Iran
Jetzt zeigt sich, wie viel der Atomdeal politisch bereits im Land bewegen kann.
Für zahlreiche Normalbürger im Iran ist diese Parlamentswahl eher ein Referendum. Sie wollen ihre Unterstützung für den pragmatischen Präsidenten Hassan Rohani ausdrücken. Er hat den Atomstreit mit dem Westen beigelegt und damit die internationalen Sanktionen gegen das Land gestoppt. Er verspricht mit seinem vernünftigen Kurs das alltägliche Leben vieler Menschen zu verbessern. Damit dieser Präsident die iranische Wirtschaft wirklich in Schwung bringen kann, braucht er aber ein Parlament, das ihn nicht ständig bremst. Dieser Stimmungstest im Iran wird in der Welt deshalb mit besonderer Spannung verfolgt, weil die Schlüsselfrage dabei lautet: Zahlt sich die Übereinkunft mit Teheran in der Atomfrage schon jetzt konkret aus – in einer spürbaren Öffnung des Landes und in einer größeren Zahl kleiner Freiheiten für die Iraner selbst? Erprobte Experten für die iranische Entwicklung suchen allzu hochfliegende Erwartungen zu dämpfen. Die Skeptiker erinnern an das Scheitern des reformorientierten Präsidenten Mohammed Khatami – und daran, dass auch die Wortführer der „grünen Revolution“von 2009 kaltgestellt worden sind. Die konservativen und ultrakonservativen Kräfte sind stark in Irans politischem System, in dem verschiedene Machtzentren einander in Schach halten; in dem Elemente von Volksherrschaft kombiniert sind mit Gremien eines islamischen Gottesstaates, der Theokratie; in dem der oberste geistliche Führer qua Verfassung auch in allen politischen Fragen das entscheidende Wort hat. Die Hardliner-Herrscher haben den Atomdeal zugelassen, um den wirtschaftlichen Absturz des Landes abzuwenden sowie eigene Pfründen und Posten zu sichern. Dann ging es diesen Kräften darum, die politischen Nachbeben des Deals zu begrenzen und die Machtbalance zu erhalten. Daher haben sie vor der Parlamentswahl ihren ganzen Einfluss geltend gemacht, um reformorientierte Kandidaten aus den Wahllisten zu fegen. So wären Pragmatiker schon froh, wenn sich das neue Parlament dennoch stärker zur politischen Mitte neigte und dem Präsidenten gewogener wäre als das alte.