Salzburger Nachrichten

Bei der Diagonale ist der Film ein Medium des Einspruchs

Das Festival des österreich­ischen Films will das Verhältnis zwischen Film und Politik verhandeln und zeigt 158 Filme.

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„Europa taumelt vor sich hin, die Welt brennt und ihr geht ins Kino?“Laut Peter Schernhube­r, der gemeinsam mit Sebastian Höglinger das Filmfestiv­al Diagonale in Graz leitet, ist es angesichts der globalen Krisen durchaus legitim, sich diese Frage zu stellen.

Die beiden haben aber auch eine Antwort parat: „Ja, weil Film eben nicht nur ein Medium der Ablenkung und der Zerstreuun­g ist.“Das neue Intendante­nduo des Festivals des österreich­ischen Films, das heuer vom 8. bis 13. Mai über die Bühne gehen wird, versteht den Film auch als Medium der Widerrede, des Einspruchs und des Widerstand­s. Wobei sie diese Eigenschaf­ten nicht nur der Dokumentat­ion, sondern auch dem Spielfilm zubilligen.

Als Beispiel nennen die Intendante­n etwa „WINWIN“des 34-jährigen Filmemache­rs Daniel Hoesl: „Er hat eine Brutalsati­re auf den Gegenwarts­kapitalism­us geschaffen, ins Visier gerät dabei die Macht des Geldes.“Das Verhältnis zwischen Film und Politik werde in vielen Filmen und Veranstalt­ungen verhandelt. Aus dem Angebot der Dokumentar­filme nannten die Intendante­n unter anderem Jakob Brossmanns Film „Lampedusa im Winter“: „Ein wunderbare­s Porträt normaler Leute, zu deren Normalität der Ausnahmezu­stand gehört.“

Das Befragen von Klischees, die durch Bilder konstruier­t werden, steht wiederum im Zeichen des heurigen Diagonale-Spezialpro­gramms „Österreich: zum Verges- sen“. Nachgespür­t wird unter anderem einer zentralen Phase heimischer Zeit- und Filmgeschi­chte: der Ära Kurt Waldheim. Dabei werden nicht nur die Jahre um 1986 unter die Lupe genommen, sondern auch nachgefrag­t, inwiefern der österreich­ische Film die Vergessens- und Verdrängun­gskultur beförderte oder Widersprüc­he provoziert­e.

In diesem Programm wird auch die bisher nie ausgestrah­lte Folge von Elizabeth T. Spiras Alltagsges­chichten „Am Stammtisch“ (1988/89) aus dem „Giftschran­k des ORF“(Höglinger) geholt und in Graz gezeigt. Insgesamt zeigt die Diagonale ’16 an sechs Tagen 158 Filme und Videos in 130 Vorstellun­gen. Aus 512 Einreichun­gen wurden 103 Filme für den Wettbewerb ausgewählt.

Das mit einem Budget von rund 1,2 Millionen Euro ausgestatt­ete Festival präsentier­t 42 Uraufführu­ngen. Eröffnet wird die Diagonale mit der Literaturv­erfilmung „Maikäfer flieg“von Christine Nöstlinger durch Mirjam Unger.

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