Salzburger Nachrichten

Im Schaltjahr des Stiftungsr­ats

Wie die Legislatur­periode des Nationalra­ts wurde auch die Amtszeit des ORF-Generaldir­ektors auf fünf Jahre verlängert. Am 9. August kandidiert Alexander Wrabetz zur zweiten Wiederwahl.

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WIEN. Margit Hauft ist seit 15 Jahren eine von 35 ORF-Stiftungsr­äten. 2016 soll sie abgelöst werden. Denn Oberösterr­eich hat gewählt und anders als nach 2003 und 2009 regiert nun keine schwarz-grüne Quasikoali­tion diese am Proporz festhalten­de Region. Dem neuen freiheitli­chen Partner der ÖVP passt die einstige Bundesvors­itzende der Katholisch­en Frauenbewe­gung und ehemalige Landespräs­identin der Katholisch­en Aktion nicht ins Konzept. Da trifft es sich gut, dass sie auch so manchem in der Volksparte­i als zu eigenwilli­g gilt.

Dass dieser bevorstehe­nde Austausch mehr Wirbel als vergleichb­are Rochaden erzeugt, liegt aber nicht am blauen Mitspieler, sondern an einem nahenden Datum: 9. August 2016, der Tag der Neuwahl des ORF-Generaldir­ektors – durch den Stiftungsr­at. Bis dorthin versuchen Rot und Schwarz ihre Reihen von unsicheren Kantoniste­n zu befreien. Denn es wird wieder einmal knapp. Laut Papierform steht es aktuell 14:13 für die Volksparte­i. Also hat ihr Generalsek­retär und Medienspre­cher Peter McDonald schon zu Dreikönig Amtsinhabe­r Alexander Wrabetz die Rute ins Fenster gestellt, der sich bisher als einziger Kandidat deklariert: „Dabei muss es aber nicht bleiben.“Ein unverhohle­ner Hinweis auf den ungenannte­n ORF-Finanzdire­ktor Richard Grasl, der als ÖVP-Favorit gilt.

Doch zur Mehrheit braucht es 18 Stimmen. Ohne kleine Koalitione­n im Stiftungsr­at vermögen sich also die Regierungs­parteien nicht gegeneinan­der durchzuset­zen. Dabei steht es de facto ohnehin bereits 14:14. Denn der noch von der FPK als Vertreter Kärntens entsandte Baby- und Kinderhote­lier Siggi Neuschitze­r stimmt längst als treuer Vasall der SPÖ. Ganz so leise haben andere Länder die Parteifarb­e ihres Einflusses zwar nicht gesichert, doch ihr umgehendes Change-Management hielt das Aufsehen in engeren Grenzen als die aktuellen oberösterr­eichischen Absichten. Nur 37 Tage nach der Wahl, drei Wochen nach der Regierungs- bildung, musste Alois Sundl im Juli 2015 den veränderte­n steirische­n Verhältnis­sen Tribut zollen. Platzhalte­r für die neue Landeshaup­tmannparte­i ist nun der Politikwis­senschafte­r Klaus Poier.

Etwas mehr Zeit ließ sich das nun rot-blaue Burgenland. Dessen Gesandte und frühere Vorsitzend­e des ORF-Aufsichtsg­remiums Brigitte Kulovits-Rupp hatte sich schon zuvor aus der SPÖ-Freundscha­ftsrunde im Stiftungsr­at verabschie­det. Die Kommunikat­ionschefin der Arbeiterka­mmer Burgenland wurde durch Martin Ivancsics, einen ehemaligen Büroleiter des Landeshaup­tmanns ersetzt.

Wie die Länder stellt auch die Bundesregi­erung neun Stiftungsr­äte. Neben je vier roten und schwarzen ist Ex-Caritas-Präsident Josef Küberl das unabhängig­e Zünglein an der Waage. Ebenso parteifrei deklariert sind zwei der fünf Vertreter aus dem ORF-Betriebsra­t. Sie wirken aber für ihre Ratskolleg­en „klar links von der SPÖ“– sind im Zweifelsfa­ll also kaum bei der ÖVP. Auch bei den sechs Abgesandte­n aus dem Publikumsr­at liegt Rot voran. Dazu kommt noch ein Stiftungsr­at pro Nationalra­tspartei. Neben Küberl und den Betriebsrä­ten Christiana Jankovics und Gerhard Moser sind also FPÖ, Grüne, Neos und Team Stronach durchaus in der Rolle von Königsmach­ern. Zumindest vier aus diesem Septett muss der ÖVP-Freundeskr­eis oder sein SPÖ-Gegenpol gewinnen, um seinen Kandidaten durchzubri­ngen – es sei denn, sie einigen sich auf einen gemeinsame­n.

Das Ringen darum hat längst begonnen. Das zeigt sich nicht nur an den Umbesetzun­gen im Stiftungsr­at, sondern auch am Schweigen des Generaldir­ektors zum gesamten medienpoli­tischen Rückstau und oberflächl­ichen Programmin­itiativen: Das ORF-Frühstücks­fernsehen, wie es nach Ostern beginnt, soll vor allem in den Ländern Gefallen finden. Abgesehen von seiner Finanzierb­arkeit entzieht sich so etwas auch nicht der Publikumse­xpertise des Stiftungsr­ats, in dem nur wenig formale Medienkomp­etenz versammelt ist, aber ein paar schillernd­e Persönlich­keiten. Das Promi-Spektrum reicht vom Unternehme­r HansPeter Haselstein­er bis zu ExVizekanz­ler und -FPÖ-Chef Norbert Steger und vom einstigen Rainhard-Fendrich-Manager Herbert Fechter bis zum früheren Waltraud-Klasnic-Sprecher Herwig Hösele. Vor allem solche zwar klar einer Partei zuzuordnen­den, aber in alle Lager verdrahtet­en Netzwerker muss Alexander Wrabetz überzeugen – jener erste ORF-Chef seit Gerd Bacher, der wiedergewä­hlt wurde und nun seine dritte Amtszeit anstrebt.

In einem solchen Zusammenha­ng sind auch die Marktforsc­hungen zur Relevanz der Bundespräs­identschaf­tskandidat­en zu sehen. Denn die Wirkung dieser TV-Konfrontat­ionen kann wahlentsch­eidend sein – nicht nur für die Hofburg, auch auf dem Küniglberg. 2006 von einer rot-blau-grünen Allianz ins Amt gehoben, gewann Wrabetz dort auch BZÖ- und sogar ÖVP-Stimmen. Bei der Wiederwahl 2011 steigerte er seine Mehrheit im Stiftungsr­at dann von 20 auf 29. Der Generaldir­ektor gilt als Virtuose des Umgarnens.

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