Der Sommer beginnt im Februar
Lebensfreude. Sonnensucher sind in Sevilla richtig: Hier schmeckt das Eis schon im Februar. Und andalusisches Flair samt Kulturgenuss reichen locker, um eine ganze Woche zu bleiben.
Kurz vor Ostern ist das Stadtzentrum von Sevilla übervoll mit Touristen. Anfang Februar hingegen kann man durch die andalusische Hauptstadt noch in aller Ruhe spazieren – aber trotzdem viel Lebensfreude spüren. Treffpunkt für junge Leute ist etwa der „Parasol“. Dort sitzen die Sevillanos auf der Stiege ihres neuen Wahrzeichens auf der Plaza de la Encarnación, das auch als Aussichtsplattform dient, und genießen die warmen Sonnenstrahlen. Für Unterhaltung sorgen heute Matteo la Motta und sein Freund, die mit Gitarre und Cajón Straßenmusik machen. Sie sind dafür extra aus Neapel angereist – und freuen sich, weil sie schon drei CDs verkauft haben.
Wer es lieber etwas gesetzter mag, ist eine Straße weiter in der traditionsreichen Konditorei La Campana richtig, wo Oberkellner Emilio andalusische Süßigkeiten serviert. In der Calle Sierpes erinnert der Winterschlussverkauf daran, dass gerade erst Februar ist. Das Thermometer zeigt bereits 20 Grad Celsius.
An der zentralen Plaza Nueva, die den Beginn der Altstadt markiert, kann man eintauchen in das reiche kulturelle Erbe Sevillas. Jahrzehntelang hielt die Stadt das Handelsmonopol mit dem neu entdeckten Amerika. Dementsprechend prunkvoll sind die Baudenkmäler aus jener Zeit – etwa die Kathedrale Santa María. Das Motto der Erbauer: „Lasst uns eine Kathedrale bauen, so groß, dass jeder, der sie sieht, uns für verrückt hält.“Selbstredend ziert das Gotteshaus daher der größte gotische Altar der Welt. Und auch der angebaute Glockenturm La Giralda sucht seinesgleichen. Der 92 Me- ter hohe Turm versteckt seine architektonischen Wurzeln nicht: Von 712 bis 1248 war Sevilla eine maurische Stadt – und die Giralda diente als Minarett der Moschee, die für die spätere Kathedrale Platz machen musste. Der Turm durfte bleiben, wurde jedoch erhöht und mit 27 Glocken bestückt.
Apropos Mauren: Deren größte Hinterlassenschaft in Sevilla ist der orientalische Festungspalast Real Alcázar gleich neben der Kathedrale. Er besteht aus etlichen Höfen, die nicht von ungefähr an die Alhambra in Granada erinnern – denn von dort wurden die Handwerker geholt. Heute noch lässt sich hier in riesigen Gärten mit Orangenbäumen, exotischen Sträuchern, Fischteichen und Springbrunnen flanieren, die erahnen lassen, wie die Herrscher jener Zeit hier lebten.
Der nächste Tag beginnt mit typisch andalusischer Kultur – nämlich einem Ausflug ins Flamenco-Museum. Videos, Hörproben, Kleider wie auch Kurzporträts wichtiger Protagonisten – alles hier erzählt die Geschichte dieses Tanzes. Das macht Lust, gleich ein Ticket für die abendliche Tanzund Gesangsvorführung im Museum zu reservieren – die uns auch wirklich nicht enttäuscht.
Doch noch bleibt Zeit und so schlendern wir durch die verwinkelten Gassen im historischen Barrio Santa Cruz – nur, um immer wieder auf der Plaza Alfalfa zu laden. Beim Kaffee in der Konditorei Love Horno Artesano kommt man ins Plaudern – etwa mit João, der dort ein Herrenmodengeschäft betreibt. Was ein Besucher seiner Meinung in Sevilla unbedingt gesehen haben soll? „Eine Bootsrundfahrt am Plaza España – auch wenn es kitschig ist. Und eine Lokaltour rund um die Kirche San Lorenzo.“Aber auch an der Plaza Alfalfa ist an diesem Frei- tagabend noch viel los: Volksschulkinder spielen nach 21 Uhr noch Fußball, während ihre Eltern bei einem Glas Rotwein vor einer der zahlreichen Tapas-Bars sitzen.
Joãos Empfehlung wird dennoch beherzigt. Der halbrunde Palast der Plaza España samt riesigem Vorplatz wurde 1929 angelegt und besticht durch die auf Fliesen gemalten Szenen aus der Geschichte der wichtigsten spanischen Städte – sowie dem kleinen Kanal, den man tatsächlich mit Ruderbooten befahren kann. Auch der zweite Tipp von João wird befolgt – aber lieber mit einer Bootsfahrt auf dem Guadalquivir, der die Stadt in der Mitte durchquert. Los geht die einstündige Fahrt beim Torre del Oro, dem historischen Hafenturm, erst nach Süden bis auf die Höhe des Aquariums mit seinen bemerkenswert großen Haiexemplaren, dann nach Norden bis auf die Höhe des ehemaligen Expo-Geländes.
Der letzte Tag gehört einem Spaziergang an der Avenida de la Constitución, mit kleinen Zwischenstopps, um den Straßenkünstlern, Breakdancern und Marionettenspielern zuzusehen und zu lauschen. Dann ist Zeit für das erste Eis in diesem Jahr – im Februar! – und ein kleines Sonnenbad auf den Stufen der Kathedrale. Ein letzter Cappuccino im Café Toc-Toc, das sich auch als nette Unterkunft entpuppt, und der Ratschlag der Kellnerin Tamara obendrauf, die Alameda de Hercules nicht zu vergessen: „Der Platz ist das Zentrum der alternativen Kultur in der Stadt – da gibt es viele Bars mit Livemusik am Abend.“Hier sind Avantgarde und Underground zu Hause, hier gibt’s alles vom Frühstück bis zum Nachmittagsbier oder Mitternachtscocktail und jeden Donnerstag einen kleinen, feinen Flohmarkt. Jede Menge gute Gründe, bald wieder nach Sevilla zu fahren . . .