Des Irans kleiner Schritt hin zur Normalität
Auch nach dem Sieg der Moderaten hat der Iran noch viel aufzuholen, ehe er ein akzeptabler politischer Partner sein wird.
Die Freude darüber, dass die Wähler im Iran sichtlich moderate Politiker den radikalislamischen vorziehen, ist verständlich. Nach dem Abschluss jenes Atomabkommens, mit dem man den Iran ermuntern will, auf den Bau von Atomwaffen zu verzichten, haben einander Politiker und Wirtschaftstreibende ganz Europas die Türklinke in die Hand gegeben. Sie hofierten die Regierenden in Teheran und versuchten, nach Aufhebung von Sanktionen und Beschränkungen des Handels mit dem Land gute Geschäfte anzubahnen. Das funktioniert aber nur, wenn die Machthaber im Iran sich zumindest im diplomatischen und im wirtschaftlichen Umgang einigermaßen gemäßigt geben.
Die Wahlergebnisse vom Wochenende sind Anlass zu Erwartungen, dass der Iran sich vorsichtig an demokratische Gepflogenheiten herantasten könnte. Freilich darf man nicht vergessen, mit welcher Art von Regime wir es da zu tun haben. Die Politik wird auch weiterhin von einem „Revolutionsführer“und seiner theokratischen Kamarilla kontrolliert – wiewohl die Revolution schon lange Vergangenheit ist. Die Ajatollahs kontrollieren nicht eine Revolution, sondern eine religiös verbrämte Diktatur, die von Menschenrechten nur wenig hält und demokratische Standards noch lange nicht erfüllen kann.
Man sollte nicht vergessen, dass im Iran die Todesstrafe weit öfter verhängt und exekutiert wird als in allen anderen Ländern der Welt mit Ausnahme von China. Im Iran darf niemand außer der herrschenden Kaste seine Meinung unverblümt veröffentlichen. Und eine freie Wahl des Lebensstils ist unmöglich, ja im Falle von „abweichendem“Sexualverhalten droht wiederum der Henker. Gerade erst hat Teheran es zugelassen, dass angeblich private Institutionen das Kopfgeld auf den britischen Autor Salman Rushdie um 600.000 Dollar aufgestockt haben. In keinem zivilisierten Land der Welt wäre das möglich, ohne strafrechtliche Konsequenzen.
Die jüngste Wahl im Iran macht klar, dass sich zwischen der Bevölkerung und den Herrschenden eine tiefe Kluft auftut. Die Iraner möchten ein besseres, freieres Leben, sie wünschen Selbstbestimmung und politische Mitbestimmung. Die mächtigen Theokraten versuchen, den Status quo zu erhalten.
Das Wahlergebnis zeigt die Richtung, in die die Iraner gehen wollen. Es könnte eine langsame, behutsame Wende einleiten. Doch das Land hat noch einen weiten Weg vor sich, ehe es mit demokratischen Staaten auf Augenhöhe verkehren kann.