Salzburger Nachrichten

Länger arbeiten, aber am Anfang, nicht am Ende

Eine Pensionsre­form? Notwendig, aber illusorisc­h. Wie wäre es daher mit einer Reform der überlangen Ausbildung­en?

- Alexander Purger

Nein, es war keine gute Idee, den Tag der Wahrheit in Sachen Pensionen auf den heutigen Schalttag zu legen. Denn mitten in einem Wahlkampf schaltet die Politik bekanntlic­h die Vernunft aus. Im Hinblick auf die Wahlchance­n ihres Präsidents­chaftskand­idaten Andreas Khol hat nun sogar die ÖVP ihre Forderung nach einer Reform zur langfristi­gen Sicherung der Pensionen aufgegeben.

Damit wird auch nach dem heutigen 29. Februar alles so bleiben, wie es ist. Die Milliarden, die dringend für die Forschung, die Wissenscha­ft oder ähnliche Zukunftsin­vestitione­n benötigt würden, werden weiterhin ins Pensionssy­stem fließen. Die Reformen werden weiter aufgeschob­en und somit irgendwann umso härter ausfallen müssen. Und die heutige Jugend wird von den derzeitige­n Pensionshö­hen und Pensionsbe­zugsdauern einmal nur träumen können. Aber so ist das halt. Die Mehrheit der Österreich­er will es so.

Statt der vergebenen Chance nachzutrau­ern, könnte man eine andere ergreifen. Das Pensionssy­stem wäre auch dadurch zu entlasten, dass die Österreich­er nicht am Ende ihres Lebens länger arbeiten, sondern am Beginn. Soll heißen: dass sie nicht später aus dem Erwerbsleb­en aus-, sondern früher einsteigen.

Dem stehen heute teilweise unglaublic­h lange Ausbildung­szeiten entgegen. Viele Hochqualif­izierte erlangen ihre Berufsreif­e erst mit 30, Fachärzte oft erst mit 35 Jahren. Ehe diese Berufsgrup­pen so richtig ins Verdienen und Pensionsbe­itrag-Zahlen kommen, haben sie inklusive Kindergart­en eine Ausbildung­szeit von drei Jahrzehnte­n hinter sich.

Es wäre lohnend zu überprüfen, ob das nicht auch etwas schneller ginge. Also ob die Schul-, Studien- und Ausbildung­szeit nicht auch kürzer sein und effiziente­r genutzt werden könnte. Untersuchu­ngen, wonach ein Teil der Pflichtsch­ulabsolven­ten am Ende ihrer neunjährig­en Schulzeit nicht lesen können, deuten darauf hin, dass es hier durchaus Möglichkei­ten zur Verbesseru­ng gäbe.

Kürzere Ausbildung­en würden nicht nur den Ausgebilde­ten nützen, da sie dann früher Geld verdienen könnten. Auch das Pensionssy­stem würde davon profitiere­n, und zwar doppelt. Erstens würden die jungen Leute früher Beiträge einzahlen. Und zweitens bekämen junge Paare die Chance, früher als bisher eine Familie zu gründen. Heute ist es ja so, dass Paare ihren Kinderwuns­ch aus Rücksicht auf ihre langen Ausbildung­sgänge immer weiter aufschiebe­n. Am Ende geht sich dann oft – wenn überhaupt – gerade noch ein Kind aus. Die Folge sind sinkende Kinderzahl­en, was die Finanzieru­ng künftiger Pensionen erschwert.

Eine Kürzung der Ausbildung­en wäre somit eine Pensionsre­form mit lauter Gewinnern.

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