Die Wähler haben das Sparen satt
Irland steht eine schwierige Phase der Regierungsbildung bevor.
Sie sehen wie die großen Verlierer aus. Die Mitte-links-Partei Fine Gael und ihr Koalitionspartner Labour, die bisher die Regierung in Irland stellten, sind bei der Wahl zum Dail, dem irischen Parlament, kräftig abgewatscht worden. Fine Gael bleibt mit 25,5 Prozent der Erststimmen zwar immer noch stärkste Partei, aber das nur knapp vor der Mitte-rechts-Partei Fianna Fail, die 24,3 Prozent errang. Fine Gael verlor gegenüber dem letzten Wahlergebnis von 2011 mehr als zehn Prozent an Stimmen. Ihren Regierungspartner Labour, der um fast 13 Prozent absackte und jetzt bei nur noch 6,6 Prozent der Erststimmen steht, traf es noch schlimmer. Damit ist eine Fortführung der bisherigen Koalition nicht mehr möglich. Bis zum 10. März, wenn der Dail wieder zusammentritt, hat man Zeit für die Regierungsbildung.
Premierminister und Fine-GaelChef Enda Kenny kann versuchen, mit einer Regenbogenkoalition von Unabhängigen, Labour und Grünen eine Mehrheit von mindestens 79 Abgeordneten im Dail zu bekommen. Oder er versucht etwas, was auf der Grünen Insel noch nie unternommen wurde: ein Zusammengehen der beiden großen Volksparteien Fine Gael und Fianna Fail. Bisher galt eine Große Koalition als undenkbar, weil die einstigen Erzfeinde im irischen Unabhängigkeitskampf auf unterschiedlichen Seiten standen. Die Wahlschlappe der Re- gierungsparteien scheint paradox, weil das Land sich in den vergangenen vier Jahren vom Schuldenhaus zum Musterknaben Europas gewandelt hat – mit sieben Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr 2015, einem ausgeglichenen Staatshaushalt und einer Arbeitslosigkeit, die von 13 Prozent auf unter neun Prozent gefallen ist. Doch der drakonische Sparkurs hat mit Steuererhöhungen, Rentenkürzungen und Einschnitten bei der Sozialhilfe auch viel böses Blut geschaffen.