Mit Oscars bejubeln sich die Bleichgesichter
In der Nacht auf heute wurden die Oscars vergeben. Eines war schon vorab fix: Gewinnen konnten nur Weiße. Das soll sich ändern.
LOS ANGELES. Die Oscars gelten als der wichtigste Preis der Filmbranche. Doch repräsentativ sind sie nicht: Erneut sind in den Schauspielkategorien ausschließlich weiße Gesichter vertreten, und auch bei den Kategorien hinter der Kamera haben schwarze, latino- oder asiatisch-amerikanische Geschichten keine Chance.
Als Reaktion schon auf die Nominierungen gab eine Reihe von Filmstars schon im Jänner bekannt, die ohnehin überlange und ermüdende Show heuer zu boykottieren, darunter Will Smith und seine Frau Jada Pinkett Smith, die trotz entsprechender Leistungen (er in „Erschütternde Wahrheit“, sie in „Magic Mike XXL“) beide wie selbstverständlich nicht nominiert waren. Denn auch 88 Jahre nach der Gründung der Oscars sind Darstelleroder gar Regiepreise für Menschen anderer Hautfarbe als weiß immer noch die Ausnahme.
Damit sind die Oscars letztlich nicht der Preis der Filmindustrie, sondern nur der Preis ihres dominanten weißen Anteils, auch wenn die Diskussion darüber so manche stört: Die britische Schauspielerin Charlotte Rampling etwa (nominiert in „45 Years“) hatte sich öffentlich in die Nesseln gesetzt, als sie die Debatte im Radio als „Rassismus gegen Weiße“bezeichnete; schwarze Schauspielerinnen und Schauspieler seien einfach in diesem Jahr nicht gut genug gewesen.
Organisatorisch bemüht man sich seit einigen Jahren, den blütenweißen Oscars entgegenzuwirken. Academy-Präsidentin Cheryl Boone als schwarze Frau an der Spitze der Organisation ist zwar wichtig in Sachen Sichtbarkeit, und der schwarze Komiker Chris Rock als Moderator, berüchtigt für deutliche politische Ansagen, ist ein dringend notwendiges Feigenblatt.
Ein Umdenken bei den Wahlberechtigten bedeutet das noch lange nicht: Nach einer Untersuchung der „Los Angeles Times“von 2012 ist der durchschnittliche Oscarwähler 63 Jahre alt, weiß und männlich und stimmt offensichtlich für Filme, in denen er sich selbst wiedererkennt. Wer die etwa 6000 wahlberechtigten Academy-Mitglieder sind, ist nicht öffentlich. Fix ist jedenfalls, dass eine Oscarnominierung oder sogar ein Sieg nicht bedeutet, in die Academy aufgenommen zu werden, wie etwa der österreichische Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky erfahren musste.
Die Bekanntgabe der Nominierungen im Jänner löste erneut einen zornigen Aufschrei, Boykottaufrufe und ein Wiederaufleben des 2015 erfundenen sarkastischen #oscarssowhite-Hashtags auf Twitter aus. Die Academy reagierte mit einer hastigen Mitteilung, man werde gründlich aufräumen bei den lebenslang Wahlberechtigten.
Das gilt zwar erst für die Wahl im nächsten Jahr, doch es soll schon jetzt die Kritikerinnen und Kritiker besänftigen: Erklärtes Ziel ist, bis 2020 die Zahl der nicht männlichen, nicht weißen Mitglieder zu verdoppeln. Der traditionelle Prozess, bei dem zwei amtierende Mitglieder ein neues vorschlagen müssen, werde durch eine „ambitionierte globale Kampagne“ergänzt, neue qualifizierte Mitglieder zu finden, die eine größere Vielfalt repräsentieren. Und die ehemals lebenslang garantierte Wahlberechtigung ist ab sofort Geschichte für jene Filmschaffenden, die seit mehr als zehn Jahren nicht mehr aktiv sind. Diese Maßnahmen sind auch nötig, will die Academy endlich den Geruch des latenten Rassismus ablegen, der an dem Preis haftet.
Trotzdem ist die Bedeutung eines Oscars für die Karriere der ausgezeichneten Person immer noch groß, so schnell wird „oscarnominiert“als Kürzel für Qualität nicht aus der Mode kommen – obwohl das im Grunde unsinnig ist: Werden Wahlberechtigte anonym befragt, geben sie oft zu, gar nicht alle Filme gesehen zu habe. Und ein Preis, der Ergebnis einer Abstimmung von Tausenden Menschen ist, bedeutet per se: außergewöhnliches, bahnbrechendes Kino hat kaum eine Chance bei den Oscars.