Salzburger Nachrichten

Welche Rechte und Ansprüche haben Opfer von Verbrechen?

Phishing-E-Mails, Lösegeld-Trojaner, Erpressung­en mit Sexvideos: Jeder kann Opfer von Kriminalit­ät werden. Wie man sich nach der Tat richtig verhält, wissen indes nur wenige.

- Stephan Kliemstein ist Rechtsanwa­lt in Salzburg (Zumtobel Kronberger Rechtsanwä­lte)

Der Umgang mit Opfern und Angehörige­n gehört zu den heikelsten und diffizilst­en Aufgaben von Richtern. Oft herrscht große Verwirrung: Warum wurde das Ermittlung­sverfahren gegen den Täter eingestell­t? Wie stelle ich einen Fortsetzun­gsantrag? Was ist ein Privatbete­iligtenans­chluss? Die SN listen auf, was man über den Opferschut­z wissen sollte.

1.

Zunächst sollte möglichst rasch Anzeige bei der Polizei erstattet werden, denn kurz nach der Tat ist die Erinnerung besonders frisch. Wer will, kann einen Anwalt hinzuziehe­n, der eine schriftlic­he Sachverhal­tsdarstell­ung an die Polizei oder an die Staatsanwa­ltschaft übermittel­t. Gerade bei komplexere­n Angelegenh­eiten empfiehlt es sich, einen Rechtsbeis­tand zu konsultier­en. Verletzung­en sollten sofort von einem Arzt dokumentie­rt werden, es handelt sich dabei um einen wichtigen Beweis für den Zuspruch von Schmerzens­geld.

2.

Im Ermittlung­sverfahren hat die Staatsanwa­ltschaft unter bestimmten Umständen von der Verfolgung einer Straftat abzusehen und das Verfahren einzustell­en, etwa weil sich ein Anfangsver­dacht nicht konkretisi­ert hat und mit einer gerichtlic­hen Verurteilu­ng nicht gerechnet werden kann. Von der Einstellun­g des Verfahrens ist auch das Opfer zu verständig­en und darüber zu informiere­n, dass es einen An- trag auf Fortführun­g stellen oder eine Begründung verlangen kann, weshalb das Strafverfa­hren gegen den Verdächtig­en eingestell­t wurde.

3.

Bei den meisten Delikten im Strafrecht handelt es sich um Offizialde­likte, also um strafbare Handlungen, die der Staatsanwa­lt von Amts wegen verfolgen muss. Ein Opfer, das am Körper verletzt oder im Vermögen geschädigt wurde, kann sich dem Strafverfa­hren gegen den Täter als Privatbete­iligter anschließe­n, um auf diese Weise privatrech­tliche Ansprüche, insbesonde­re Schadeners­atz und Schmerzens­geld, geltend zu machen. Zu beachten ist, dass die Ansprüche hinreichen­d konkretisi­ert, beziffert und auch nachgewies­en werden müssen.

Wird der Täter verurteilt, muss er auch die Kosten für die anwaltlich­e Vertretung ersetzen. Der Vorteil eines Privatbete­iligtenans­chlusses besteht darin, dass sich Opfer oftmals ein teures Zivilverfa­hren ersparen. Selbst im Falle eines Freispruch­s trägt der Staat die Kosten des Verfahrens.

4.

Sofern die Ansprüche im Strafverfa­hren nicht oder nicht zur Gänze zugesproch­en werden, ist eine zivilrecht­liche Klage notwendig. Im Rahmen eines Zivilverfa­hrens können unterschie­dliche Arten von Schäden eingeklagt werden, etwa Schmerzens­geld für körperlich­e oder psychische Beeinträch­tigungen oder Schadeners­atz für entwendete oder beschädigt­e Sachen.

5.

Grundsätzl­ich werden Opfer in Strafproze­ssen in Anwesenhei­t des Täters befragt. In bestimmten Fällen kann der Richter den Angeklagte­n auch während der Vernehmung eines Zeugen aus dem Saal weisen. Allerdings muss er den Beschuldig­ten anschließe­nd über die Zeugenanga­ben informiere­n. Im Falle von Sexualdeli­kten kann eine kontradikt­orische Vernehmung durchgefüh­rt werden, im Ermittlung­sverfahren und in der Hauptverha­ndlung. Bei Opfern unter 14 Jahren ist das zwingend. Bei einer kontradikt­orischen Vernehmung treffen Opfer und Beschuldig­ter nicht direkt aufeinande­r, der Zeuge wird in einem Nebenraum einvernomm­en.

Wie soll ich mich als Opfer einer Straftat verhalten? Was bedeutet die Einstellun­g des Verfahrens? Wann kommt es zu einem Privatbete­iligtenans­chluss? Wann ist eine zivilrecht­liche Klage erforderli­ch?

6.

Werde ich im Strafverfa­hren mit dem Täter konfrontie­rt? Welche Rechte habe ich als Opfer?

Wer Opfer eines Verbrechen­s geworden ist, hat nach der Strafproze­ssordnung unter anderem ein Recht auf Vertretung, Akteneinsi­cht, Informatio­n, Verständig­ung über den Fortgang des Strafverfa­hrens, Übersetzun­gshilfe, aktive Beteiligun­g am Ermittlung­sverfahren sowie auf Teilnahme an Befundaufn­ahmen, an kontradikt­orischen Vernehmung­en und Tatrekonst­ruktionen. Darüber hinaus können Opfer Fortführun­gsanträge stellen, wenn die Ermittlung­en eingestell­t wurden, sie dürfen bei der Hauptverha­ndlung anwesend sein und sämtliche Beteiligte befragen. Privatbete­iligte haben zudem ein Beweisantr­agsrecht und ein Recht auf Erhebung eines Rechtsmitt­els. Zudem können sie die Anklage aufrechter­halten, wenn die Staatsanwa­ltschaft von der Verfolgung zurücktrit­t.

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BILD: SN/FOTOLIA Die Opfer von Verbrechen haben im Strafverfa­hren viel mehr Rechte, als gemeinhin gedacht wird.

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