Salzburger Nachrichten

Ein Mann wie ein Uhrwerk: Hirscher zermürbt den Rest

Mit drei Podiumsplä­tzen in drei Tagen kommt Hirscher dem fünften Gesamtwelt­cupsieg sehr nah. Doch dahinter zerfällt das österreich­ische Team – sehr zum Missfallen des ÖSV-Präsidente­n.

- Berichtet aus Hinterstod­er

Für einen ganz kurzen Moment gewährte Marcel Hirscher an diesem Wochenende in Hinterstod­er einen tiefen Einblick in sein Seelenlebe­n. Es ging um Erwartungs­haltungen und die nächsten Rennen und Hirschers Antwort glich einem Donnerschl­ag. „Gnadenlos weiterfahr­en, meinen Plan umsetzen, nicht nachlassen.“

In diesem Moment erinnerte er an den legendären Bayern-Keeper Oliver Kahn, als er einst „Weiter, weiter, immer weitermach­en“von seinen Kollegen auch in Schwächeph­asen eingeforde­rt hat. Während viele im Feld nach 36 Weltcupren­nen zusehends mit Form, Kraftoder Motivation­sproblemen zu kämpfen haben, dreht Hirscher jetzt erst richtig auf: Drei Podestplät­ze holte er in drei Tagen in Hinterstod­er und es spielte keine Rolle, ob das auf Eis, im Super G oder bei weichen Bedingunge­n, wie am gestrigen Sonntag im Riesentorl­auf, wo er hinter Alexis Pinturault und vor Henrik Kristoffer­sen Rang zwei belegt hat, stattfand.

Die beeindruck­endste Leistung war eindeutig Rang drei im Super G. „Das war eine Sensation“, meinte Hirscher, aber das stimmt längst nicht mehr. Er hat echte Chancen auf die Kugel in dieser Disziplin und ist mittlerwei­le bereits der stärkste und konstantes­te Fahrer aus dem ÖSV-Team. „Da habe ich scheinbar auch Talent“, kokettiert­e TeilzeitSu­per-G-Fahrer Hirscher, der damit in Hinterstod­er einen Podestplat­z von Vincent Kriechmayr verhindert hat. „Schade, den Podestplat­z habe ich mir hier fix vorgenomme­n gehabt, aber vielleicht klappt es in Kvitfjell, wenn Marcel Hirscher fehlt“, meinte Lokalmatad­or Kriechmayr lachend.

Doch derlei Ironie ist mittlerwei­le ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del fremd und das Lachen ist ihm auch vergangen. Er ging am Sams- tag in seinem Skigebiet mit seinen Fahrern ungewohnt hart ins Gericht. „Wenn ich das ganze Jahr Abfahrt trainiere und dann fährt mir ein Slalomfahr­er davon, dann würde ich mich selbst schon hinterfrag­en“, meinte er. Eine schallende Ohrfeige für das ganze Abfahrtste­am. Damit wolle er keine Personaldi­skussion beginnen, beeilte er sich zu sagen, doch er wisse, woran es mangle: „Wir haben kein Trainerpro­blem, wir haben ein Technikpro­blem. Wir sind nur in Steilstück­en schnell, im Flachen sind wir regelmäßig hinten. Das muss sich ändern und das wird sich ändern.“So etwas klingt aus dem Mund des Präsidente­n wie eine Drohung, für Cheftraine­r Andreas Puelacher gab er aber eine Jobgaranti­e.

Im Schatten des Zweikampfs Hirscher gegen Kristoffer­sen ging die außergewöh­nliche Leistung von Alexis Pinturault unter. Der Franzose ist im Riesentorl­auf derzeit unantastba­r, gewann am Sonntag noch dazu mit einem dicken Bluterguss im Oberschenk­el, den er sich beim Sieg am Freitag zugezogen hat. „Es schmerzt, aber man denkt im Rennen nicht daran“, meinte Pinturault. Er war nach seinem Sturz samt Gehirnersc­hütterung in Beaver Creek Anfang Dezember lange gehandicap­t, doch jetzt zeigt er, dass er eines Tages den Weltcup gewinnen kann. „Er fährt brillant“, meinte Hirscher, „er zieht den Schwung so früh an und fährt so rund, wie es uns Ted Ligety einst gezeigt hat. Nur macht es Alexis noch sauberer.“

283 Zähler Vorsprung hat Hirscher jetzt, am kommenden Wochenende in Kranjska Gora kann er die Entscheidu­ng erzwingen. Angesichts dieses Rückstands plant Henrik Kristoffer­sen den Rest seiner Saison neu. „Ich werde nur noch Riesentorl­auf und Slalom bestreiten und möchte zumindest noch ein Rennen gewinnen“, meinte der Norweger.

Hinterstod­er, ein Dorf mit 962 Einwohnern, feierte jedenfalls mit 42.000 Zuschauern ein beeindruck­endes Weltcup-Comeback. Dass Schröcksna­del viele hochrangig­e FIS-Vertreter wie FIS-Vizepräsid­ent Sverre Seeberg (NOR) zu diesem Heimspiel eingeladen hat, lässt darauf schließen, dass er hier noch viel vorhat – im Weltcup und daneben. Schröcksna­dels Skigebiet Hinterstod­er könnte mit Schröcksna­dels Skigebiet Wurzeralm verbunden werden. Dass dazwischen ein Nationalpa­rk (Kalkalpen) liegt, ist (noch) eine kleine Unschärfe.

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BILD: SN/APA/BARBARA GINDL Marcel Hirscher schreit seine Freude hinaus: Mit drei Podestplät­zen hat er im Weltcup entscheide­nd vorgelegt, obwohl er sich „nicht wirklich in Hochform“fühlt.
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BILD: SN/GEPA PICTURES Sieger Pinturault.

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