EinLeben in der Mindestsicherung
Die Politik debattiert über die Kürzung der Mindestsicherung – vor allem für Asylberechtigte. Und was sagt eigentlich eine einheimische Mindestsicherungsbezieherin dazu?
Sie ist ein Reizthema – die Mindestsicherung. In der Politik wurde zuletzt über die Höhe der Sozialhilfe debattiert. Die FPS von Karl Schnell verlangte eine Halbierung für Asylberechtigte. Die SN haben mit einer Flachgauerin gesprochen – und sie gefragt, wie es ihr als Bezieherin der Mindestsicherung geht. Auf eigenen Wunsch werden nur Vorname und Alter genannt. Auf Anraten der Caritas ist auch das Bild nur von der Rückseite aufgenommen worden. Julia ist 26, hat zwei Kinder und stammt aus dem Flachgau. Sie ist eine von rund 9000 Bezieherinnen im Bundesland. SN: Wie sind Sie in die Mindestsicherung geschlittert? Julia: Seit ich getrennt lebe, bekomme ich einen Teil aus der Mindestsicherung. Das ist jetzt vier Jahre her. Vorher habe ich die Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau mit Auszeichnung absolviert und im Supermarkt gearbeitet, bis ich mit 16 meine Tochter bekommen habe. SN: Wie viel Mindestsicherung bekommen Sie monatlich? Es sind 400 Euro. Für den Sohn bekomme ich Alimente vom Vater. Für die Tochter nicht, denn da ist der Vater bereits verstorben. SN: Was machen Sie jetzt? Ich mache gerade die Ausbildung zur Bürokauffrau und zur Finanzbuchhalterin. Dafür gibt es AMSSchulungsgeld mit einem Tagsatz von 21 Euro. Hinzu kommt noch Wohnbeihilfe vom Land. Die beläuft sich auf 700 Euro. Denn die Miete beträgt 1100 Euro. Das ist dieselbe Wohnung, in die ich zusammen mit meinem Freund und den Kindern gezogen bin. Er ist dann ausgezogen. Umziehen will ich nicht, weil ich als Kind viel umgezogen bin. Das will ich meinen Kindern nicht antun. Sie sollen die Schule fertig machen. SN: Wie geht sich das monatlich alles aus? Ich bin 26, ich kann aber nicht sagen, ich gehe jeden Samstagabend feiern. Denn was übrig bleibt, da mache ich lieber etwas mit den Kindern. Ich habe gute und schlechte Monate. Ich nehme einfach die Tage und dividiere durch die Anzahl. Dann sehe ich, was pro Tag übrig bleibt. Ich brauche eine Monatskarte, damit ich mit dem Bus in die Stadt zum AMS fahren kann. Die kostet 70 Euro. Ich muss die Nachmittagsbetreuung bezahlen. Der Strom für die Wohnung kommt extra dazu. Ich versuche, etwas für den Führerschein beiseitezulegen. Am schlimmsten ist es, wenn etwas Unverhofftes kommt. Letztes Jahr ging beispielsweise die Waschmaschine kaputt. SN: Sie haben schulpflichtige Kinder – werden Sie nie gefragt: Mama, wann fahren wir mal in den Urlaub? Natürlich können wir nicht wegfliegen. Aber wir machen eben etwas anderes. Wir waren in Linz zelten. Und im Vorjahr haben wir über die Kinderfreunde einen Ausflug ins Legoland organisiert. Bei der Kleidung bin ich eine richtige Abverkauf-Käuferin geworden. Anders geht’s nicht. Ende Jänner kaufe ich jedes Jahr ein, denn da gibt es überall minus 50 Prozent. Alle drei Monate habe ich Anspruch auf Sonderzahlung für die Kinder. Davon kaufe ich dann Fußballschuhe für die Tochter. Sie hat eben erst die Aufnahmeprüfung in die Sportschule geschafft. Und will unbedingt Fußballprofi werden. Da helfen auch die Großeltern aus. SN: Wie ist es Ihnen ergangen, als Sie erstmals Mindestsicherung beantragt haben? Ich wollte den Schritt überhaupt nicht gehen. Aber ich war bei der Miete derart in Verzug. Dann habe ich meinen Bausparvertrag gekündigt. Das ist drei Monate gut gegangen. Dann ist mir nichts anderes übrig geblieben. Du kommst sofort in eine Abwärtsspirale. Das ist kein gutes Gefühl, wenn man da hingehen und sagen muss: Ich schaff’s nicht mehr. SN: Was halten Sie davon, dass Asylberechtigte denselben Anspruch haben wie Sie? Ich würde auch als Erstes meine Kinder in Sicherheit bringen. Natürlich haben die auch Anspruch auf Mindestsicherung. SN: Sind Sie dafür, dass man die Mindestsicherung kürzt? Ich glaube, wir haben ein gutes Sozialsystem. Da wird es aber vielen Menschen auch zu einfach gemacht. Man soll nicht daheimsitzen und rumhocken. Diese Beispiele gibt es aber. Es kommt stark auf die Hintergründe an. Wenn sich Menschen bemühen und etwas dafür tun, sich bei uns integrieren wollen, dann soll das auch ein Ansporn sein. Wenn nicht, dann sollen sie wieder in ihr Heimatland zurückgehen. Ich glaube auch, dass einige die Mindestsicherung zu Unrecht beziehen. Schwarze Schafe gibt es aber überall. SN: Sind Sie eine typische Mindestsicherungsbezieherin? Ich bin wahrscheinlich alles, nur nicht typisch. SN: Was wünschen Sie sich denn von der Politik? Ich würde es spannend finden, wenn da einmal jemand mit Mitte 20 etwas leiten darf. Jemand ohne Politikerfahrung. Da gehört einmal frischer Wind hinein. SN: Wie geht es weiter? Ich bin im Juni mit der Ausbildung fertig. Am liebsten würde ich Filialleiterin im Modebereich werden. Weil ich weiß, dass ich das kann. Ich will raus aus der Mindestsicherung. Denn jeder ist gern unabhängig. Dann will ich den Führerschein machen und auch einmal irgendwann ein 08/15-Leben führen.