Ein Superreicher spielt den Rächer der Verlierer
Der Vormarsch des Rechtspopulisten Donald Trump im amerikanischen Wahlkampf ist vor allem ein krasses Krisenzeichen.
Simple Scheinlösungen in komplizierter Welt
Nicht nur das politische System in den USA hat stark an Vertrauen der Bürger verloren. Die westlichen Demokratien überhaupt haben an Ausstrahlungs- und Bindekraft enorm eingebüßt.
Donald Trump ist ein Skrupelloser, der Hass predigt. Aber er treibt jetzt nur auf die Spitze, was die Republikaner in den Vereinigten Staaten schon seit Jahren praktizieren – nämlich die Absage an jeden Kompromiss und eine ins Extrem getriebene, auch kulturkämpferisch befeuerte Polarisierung. Dieser Kurs bewirkte Blockade und politischen Stillstand. Er hat die ohnedies verbreitete Wut der Bürger auf Washington weiter gesteigert.
Trump schwimmt auf einer Erfolgswelle, weil es tatsächlich bei einem erheblichen Teil der US-Bevölkerung eine Revolte gegen die herrschenden Zustände gibt. Immer mehr Menschen vertrauen nicht mehr dem Motto vom „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“.
Verblasst ist für viele in der Arbeiterschaft der amerikanische Traum, dass es in dieser Gesellschaft jeder mit Tatkraft und Fleiß bis nach ganz oben schaffen könne. Verflogen ist für eine Mehrzahl der Menschen in der Mittelklasse die Hoffnung, dass es den eigenen Kindern einmal besser gehen werde als einem selbst.
Weiße, bildungsferne Männer, die sich abgehängt fühlen, bilden zwar den größten Anteil von Trumps Anhängern. Doch der Rechtspopulist findet mittlerweile Resonanz in fast allen Bevölkerungsschichten. Denn bei immer mehr Amerikanern herrscht der Eindruck vor, dass besonders seit den Verwerfungen der Finanzkrise 2008 die soziale Ungleichheit zunimmt und die Regierung dringend etwas dagegen tun muss.
Ausgerechnet ein Superreicher inszeniert sich jetzt als Rächer der sozialen Verlierer. Und er tritt ausgerechnet für jene Partei in den politischen Ring, die an der sozialen Spaltung in den USA maßgeblich schuld ist. Die Republikaner haben die Spitzenverdiener stets mit Steuererhöhungen verschont – verbunden mit der ideologischen Ansage, dass dies, infolge der dadurch angekurbelten Wirtschaft, am Ende auch bei den unteren Schichten zu mehr Wohlstand führen werde.
Diese Hoffnung hat sich definitiv nicht erfüllt. Vielmehr können die Unternehmer mit immer größeren Spenden immer stärkeren Einfluss auf Wahlkämpfer nehmen und so sicherstellen, dass ihre Interessen (möglichst wenig Regulierung durch die Regierung) gewahrt werden. Amerikas Demokratie ist in den Augen der Kritiker längst zu einer Plutokratie geworden, in der die Macht des Geldes regiert.
So wächst bei den Verunsicherten und Verängstigten offenbar die Sehnsucht nach einem starken Mann, der mit seinen Maßnahmen die soziale Schieflage aus der Welt schafft. Trump will eine Mauer zur Abwehr von Einwanderern bauen, die als billige Arbeitskräfte zur unliebsamen Konkurrenz für die Einheimischen werden könnten. Trump propagiert die Abkehr vom Freihandel, damit nicht noch mehr Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden. Trump will, dass Amerika weiterhin stark ist, aber möglichst unbehelligt von der Welt. Das Land braucht nach seiner Auffassung dazu nicht mehr die bewährten Bündnissysteme.
Doch diese Idee des Isolationismus taugt nicht in einer globalisierten, vielfach verflochtenen Welt – und in einem multipolaren System, in dem selbst die Supermacht USA die großen Fragen vom Klimaschutz bis zur Armutswanderung nicht mehr allein bewältigen kann. Trump hat daher kein realistisches Programm. Sein politisches Rezept würde vielmehr das schädigen, was Amerika stark macht: Weltoffenheit, Innovation, Liberalität.
Trumps Vormarsch in Amerika signalisiert eine Radikalisierung, die in Europa längst im Gang ist. Seine Trompetentöne finden ein Echo bei den Rechtspopulisten auf unserem Kontinent und könnten deren Wutpropaganda nun noch anheizen. Marine Le Pen in Frankreich oder Viktor Orbán in Ungarn fühlen sich bestätigt – in ihrem Hass auf das „System“, ihrer Verachtung der liberalen Demokratie, ihrer Attitüde des Autoritären, ihrem Hang zu simplen Scheinlösungen wie Feinderklärung im Inneren und Abschottung nach außen.
Auch in Europa ist ja die Unzufriedenheit mit dem Status quo groß. Auch hier sehen sich immer mehr Menschen vom politischen Establishment im Stich gelassen.