Feuereifer für
Präsidentin Helga Rabl-Stadler hat sich um Alarmsysteme, Notlichter und Akkus zu kümmern, und das bis hinunter zum tiefsten Raum im Großen Festspielhaus. Dabei geht es um viel Geld. Das Reizwort lautet: Brandschutz.
SALZBURG. Tief unten im Großen Festspielhaus gibt es einen Raum, der ist unheimlich und triumphal zugleich. Höhe und Weite ergeben eine imposante Halle, doch hier herrscht fensterlose Finsternis. Den Ausgang findet nur, wer sich auskennt. Der Weg herunter führt durch rohen Beton, durch unübersehbar viele Stiegen und Gänge. Wo wäre die Hofstallgasse? Jede Orientierung ist rund zehn Meter unter Straßenniveau verloren.
Dieser Raum fühlt sich an wie eine Unterbauchhöhle des Großen Festspielhauses. Im fahlen Licht ist rotes Gestänge zu erkennen, weit oben eine flache Decke. Das ist die Unterseite des unteren Bühnenpodiums. Oben könnte soeben „Otello“geprobt werden, doch hier unten ist es still. Da sind Winden, Stahlseile und Kabel. In den Boden sind grüne Metallräder eingelassen. In der Mitte dieser kubischen Höhle steht eine Art Haus. Auch dessen Eingang ist nur kletternd – über Stufen und Steg – zu erreichen: In Mulden liegen da fünf grüne Motoren samt Seilen und mannshohen Hebeln.
Warum steigt Präsidentin Helga Rabl-Stadler in diese Tiefen hinab? Auch hier muss der Brandschutz greifen. Als Kaufmännische Direktorin ist sie für dessen Finanzierung und Umsetzung verantwortlich. Im Kuratorium, wo die Subventionsgeber eigentlich über Oper, Konzert und Schauspiel beraten, war der Brandschutz jahrelanges Thema. Denn: „Für grüne Leuchten finde ich keinen Sponsor“, sagt Helga Rabl-Stadler. Damit meint sie jene LED-Fluchtwegleuchten, die grüne, laufende Männchen zeigen; allein davon sind im Großen Festspielhaus 1000 Stück erforderlich.
Nach Neu- und Umbau von Haus für Mozart und Felsenreitschule muss auch das Große Festspielhaus den neuesten Normen genügen. Die Haustechnik stammt großteils noch aus der Bauzeit des 1960 eröffneten Gebäudes. Sie wurde immer wieder stückweise adaptiert, doch jetzt steht eine Rundumerneuerung an. Das heißt: Jeder Gang, jeder Schacht, jede Tür – allein davon gibt es rund 300 – muss überprüft und, wie es Bauleute sagen, ertüchtigt werden. 26.000 Quadratmeter sind von Brandmeldern lückenlos zu erfassen. Statt Klingeln, die bei Alarm bimmelten, müssen nun – von Unterbühne bis Schnürboden – Lautsprecher in mehreren Sprachen und so laut zum Verlassen des Gebäudes aufrufen, dass etwaige Geräte in Werkstätten übertönt werden; da dieses System mit jenem in Haus für Mozart und Felsenreitschule verbunden wird, ergibt dies eine der weltgrößten Lautsprecheranlagen.
Nach jahrelangen Vorarbeiten samt Gutachten ist nun ein Investitionsplan finanziert und vom Kuratorium abgesegnet: 10,8 Millionen Euro werden bis 2019 ausgegeben.
In die erste von fünf Etappen flossen seit vorigen Herbst 2,1 Mill. Euro – etwa in den neuen Antrieb des Eisernen Vorhangs, der nun mit doppelter Bremse versehen ist und elektronisch überwacht wird. Oder: In den Boden der Kantine wurde ein beträchtliches Loch gebrochen, um eine Betonstiege in den Innenhof zu führen: als Fluchtweg. Auch die Seitenbühne sowie andere Arbeitsund Aufenthaltsräume sind brandschutztechnisch aufgerüstet, was man daran erkennt, dass in früher offenen Durchgängen nun Türen zufallen. Immer wieder ermahnen rot beschriftete Aufkleber: „Verkeilen, Verstellen, Festbinden oder ähnliches VERBOTEN“oder „!!!Türen geschlossen halten!!!“oder „Rote Linie bitte freihalten“.
Wie riesig das Projekt „Brandschutz“ist, lässt sich an der tiefsten Stelle unter der Bühne spüren. Hier „ist das Herzstück, das auch saniert werden muss“, sagt Marcus Piso, Leiter der Gebäudeverwaltung, bei den grünen Motoren. Diese wurden unter der Ägide Herbert von Karajans und mit dem Ziel hier eingebaut, dem Publikum der Salzburger Festspiele die raffinierteste Bühnentechnik der Welt zu bieten.
Jeder Motor treibt eines von fünf Hubpodien an. Die Anlage funktioniert noch immer gut, wenngleich längst nicht mehr über Hebel, sondern elektronisch gesteuert. Doch auch sie braucht doppelte Bremsen und elektronische Überwachung, damit künftig auch während einer Aufführung Teile der Bühne aufoder abgefahren werden können.
Hier am untersten Punkt des Großen Festspielhauses sind die in Höhe und Länge gigantischen Dimensionen des Baus zu erahnen. Dieses großteils unterirdische und an den Mönchsbergfels gebaute Volumen erfordert Lüftung. Aber jedes Zuviel an Luft, sprich: Zugluft, ist im Brandschutz Gift. Ergo braucht jeder Schacht, jeder Lift, jedes Stiegenhaus, jedes Lüftungsrohr innen Klappen und an den Öffnungen Türen oder Brandschutzrollos.
Dass dieses Gebäude von Brandmeldern, Lautsprechern und Fluchtleuchten erfasst wird, bedeutet: Kabel und Notstrom. An Wänden und Gängen werden orange Kabel entlanggeführt, die einem Feuer zumindest 30 Minuten standhalten. Sie versorgen das Alarmsystem sowie kleine Motoren an bestimmten Fenstern oder Klappen, um diese automatisch zu öffnen oder zu schließen. Über das Haus verteilt sind elf Räume voller Akkus, die stetig be- und entladen werden, damit sie bei Feuer gemeinsam mit einem 2006 erneuerten Dieselaggregat die Sicherheitstechnik eine Stunde ohne regulären Strom betreiben.
Die zweite Etappe von „Brandschutz Großes Festspielhaus“beginnt nach Ostern: Noch benützen die Musiker der Staatskapelle Dresden hölzerne Spinde. Bis zum Sommer, wenn die Wiener Philharmoniker kommen, werden die Kästen für Fracks samt Handy-Steckdosen ebenso erneuert wie die Lüftung. Auf dem Gang werden Behälter für große Instrumente gebaut – freilich: brandsicher.
Was merkt das Publikum vom Brandschutz? Foyers und Zuschauerraum sollen aussehen wie bisher. Nur Brandmelder und Fluchtschilder werden erneuert. Bis auf einige Monate im Winter oder Frühjahr 2019, wenn das Festspielhaus nicht wird vermietet werden können, lautet die Vorgabe: „Ohne Spielstopp.“
„Für grüne Leuchten finde ich keinen Sponsor.“