Bei der Schokolade gibt es keine Gnade
Nein, das wird keine Fastenzeitkolumne. Oder doch? Geht’s doch um den Genuss eines radikal falschen Schokokuchens.
Ich mache mir immer öfter Gedanken über den Genuss. Das kann eine Frage des Alters sein, weil die Zeit, die bleibt, weniger wird – überhaupt und auch für den ganz eigenen Genuss. Da entwickelt man dann die Kunst, halbwegs okaye Dinge genüsslich zu finden. Ganz bestimmt ist die Genuss-Frage aber vor gesellschaftlichen Umwälzungen zu sehen. Der Genuss – jedenfalls in der Form als bedingungslose und also die Konsequenz nicht bedenkende Hingabe auch zur Sinnlosigkeit – gerät etwas aus der Mode. Und je öfter ich daran denke, desto öfter gerate ich ins Wanken. Kein genüssliches Wanken im halbwegs intellektuellen Abwägen von Ideen ist das dann. Es befällt mich eher ein unsicheres Wanken, inwieweit meine Definition von Genuss stimmen kann. Sicherlich, Genuss, das ist eine individuelle Sache. Einer haut sich dafür mit einem Fallschirm von einem Berggipfel. Irgendwer findet Marmelade einmachen stundenlang entspannend. Andere glauben an Rotwein oder überhaupt an Alkohol. Genuss ist viel. So fahre ich zum Beispiel Rad, um dann genüsslich (und also ohne Kalorienzählerei) Schokokuchen zu essen, der dann im Körper aufgeht wie ein lässiges Dopingmittel. Da kann ich noch so bestimmt wissen, dass das nicht g’scheit ist: Ein Genuss ist es allemal. Nun wird mir aber mitgeteilt, dass bio-vegane Schokolade überhaupt die einzige Schoki sei, die man noch bedenkenlos essen soll. Und was heißt schon „soll“? Die einzige Schoki, die man noch essen darf! Weil Umweltschutz. Weil Tierhaltung. Weil überhaupt und: vegan! – dieses neue Yoga, das Binnen-I der Ernährung, der letzte Schrei im Land der Trendfinder. Wenn nun jemand bio-vegane Schokolade super findet, regt mich das nicht auf. Es regt mich allerdings auf, dass die Bio-vegan-Schoko-Fanin von ihren Genüssen in autoritärem Diktatur-Ton berichtet, in diesem Weltverbesserungsjargon, der alles verzeiht außer eine andere Meinung. Ich hatte nämlich zurückkommentiert, dass mir eine stinknormale Milka-Vollmilch lieber ist und dass ich Snickers und Toffee mag. Das sei absolut unverantwortlich, antwortet die Kämpferin für eh alles, und: Solch „gehirnloser Konsum“fördere unzeitgemäße Tierhaltung, zerstöre die Umwelt, sei niemals nachhaltig. „Das geht nicht und gehört verboten“, schreibt sie und hängt sechs Rufzeichen an. Nun gebe ich zu, dass ich beim Hineinstopfen von Schokokuchen mein Lebtag nicht über Nachhaltigkeit nachgedacht habe. Ich sehe Idioten, die in idiotisch großen Autos von überdimensionierten Häusern im Grünen auf riesige Einkaufszentren-Parkplätze rollen. Da denke ich dann: Nicht nachhaltig, sondern deppert. Aber beim Schoki-Fressen? Da werde ich weiterhin bloß darüber nachdenken, ob’s mit schmeckt. So böse bin ich.
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