Salzburger Nachrichten

„Die Menschen glauben alles“

Facebook ist für Medienanwä­lte Tagesgesch­äft. Maria Windhager ortet regelrecht­e Hinrichtun­gen im angeblich sozialen Netzwerk.

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SN: Verändern soziale Netzwerke Ihre Arbeit als Anwältin? Windhager: Sie hat sich schon stark in den Social-Media-Bereich verlagert. Sehr viele Auseinande­rsetzungen finden mittlerwei­le dort statt, weil das Netz als rechtsfrei­er Raum missversta­nden wird. Die großen Rechtsfrag­en bei den traditione­llen Medien sind dagegen ausjudizie­rt – z. B. die freie Meinungsäu­ßerung in der politische­n Kritik. Social Media sind aber auch für Zeitungen ein Thema geworden. SN: Warum? Früher wurden die Rechtsvers­töße vor allem in Nischen von extremen Gruppen begangen. Inzwischen sind Radikalisi­erung und einseitige Diskussion­en in der breiten Masse angekommen. Die breite Masse bezieht ihre Informatio­nen mittlerwei­le aber überwiegen­d aus den Social Media. Das sind Phänomene, die auch die Massenmedi­en betreffen und beeinfluss­en. SN: Mit welchen Vergehen haben Sie da vor allem zu tun? Die häufigsten Delikte sind massive Beschimpfu­ngen und Beleidigun­gen, aber auch gezielte Falschbeha­uptungen. Da geht es nicht mehr um sachbezoge­ne Kritik, sondern um Verächtlic­hmachung und Herabsetzu­ng von konkreten Personen und missliebig­en Personengr­uppen wie Ausländer und Flüchtling­e. Wenn zum Beispiel Herr Strache auf seiner Facebook-Seite mit mehr als 300.000 möglichen Empfängern über irgendjema­nden etwas Kritisches postet, dann folgen sofort Hasspostin­gs. Diese Person wird dann regelrecht hingericht­et. SN: Lässt sich da wirklich ein klares Ablaufsche­ma erkennen? Ja. Die Person, die er kritisiert, wird dann von den Fans geradezu automatisc­h beschimpft. SN: Angesichts dieser Radikalitä­t, aber auch von Tempo, Mobilität und Globalisie­rung: Lässt sich das Web 2.0 durch Paragrafen überhaupt noch bändigen? Gute Frage. Wir probieren es gerade aus. Wir werden wohl immer nachhinken, aber es geht in den nächsten Jahren ganz stark um Bewusstsei­nsbildung für einen adäquaten Gebrauch dieses Netzwerks: Das muss zumindest im Mainstream der Gesellscha­ft verankert werden. Dazu genügt es sicher nicht, einzelne Personen zu verfolgen. Wir müssen auch Facebook in die Pflicht nehmen. SN: Als US-Konzern hat es sich solch europäisch­en Ansinnen meistens geschickt entzogen. In diesem Bereich gibt es eine unheimlich­e Dynamik. Vor zwei Monaten kam bei Meldungen an Facebook immer bloß die Rückmeldun­g: „Verstößt nicht gegen Gemeinscha­ftsstandar­ds.“Auch wenn der Verstoß offenkundi­g war. Mittlerwei­le löschen sie so etwas schon relativ schnell, manchmal innerhalb von ein bis zwei Stunden. Es wird sich noch einiges verändern. SN: Wie schaut es mit der Verwendung von Bildern aus? Da funktionie­rt der Rechtsschu­tz schon überrasche­nd gut. Bildsuchma­schinen sind enorm effizient. Wir können sehr schnell herausfind­en, ob ein Bild geklaut wurde. Auch das Abmahnen ist erfolgreic­h. SN: In Deutschlan­d gibt es spezialisi­erte Abmahnkanz­leien. Ist das so lukrativ? So ein Abmahnschr­eiben kostet gleich einmal 1500 Euro. Dazu kommt dann noch das Entgelt für das Bild plus Schadeners­atz. Man ist also sehr schnell mit Kosten von 3000 bis 5000 Euro konfrontie­rt. SN: Und die Durchsetzu­ng des Rechts am eigenen Bild? Das betrifft derzeit vor allem Politiker, wenn sie mit falschen Inhalten in Verbindung gebracht werden. So wurden zum Beispiel Eva Glawischni­g absurde bösartige politische Forderunge­n in den Mund gelegt. Das haben aber nicht nur einsame Verwirrte verbreitet. SN: Sondern? Das wurde in Sekundensc­hnelle Tausende Male geteilt und – es klingt unglaublic­h, aber ist so: Die Leute nehmen das für bare Münze. Wir haben einige belangt, die das geteilt haben, und sie dann noch gefragt, ob sie das wirklich glauben. Ja, sie glauben es. Auch wenn ich ihnen versichere, dass es nicht stimmt. SN: Mit welcher Strafe ist bei solchen Delikten zu rechnen? Man kann strafrecht­lich zu Geldstrafe und Kostenersa­tz verurteilt werden. Wenn aber mit so einer untergesch­obenen Aussage Persönlich­keitsrecht­e der abgebildet­en Person verletzt werden, können auch hohe Kosten für das Zivilverfa­hren wegen Ehrenbelei­digung, Kreditschä­digung und Bildnissch­utzverletz­ung anfallen. Das kann dann auch bei schneller Einsicht 6000 bis 10.000 Euro und mehr kosten. Wenn einer es ausstreite­n will, auch wesentlich mehr. SN: Welche Gegenargum­ente kommen da? Oft heißt es, das sei ja offenkundi­ger Blödsinn oder Satire. Doch jeder Profi weiß, Politik funktionie­rt nur ironiefrei. Satire wird nicht verstanden. Die Leute glauben alles. SN: Das heißt, der OnlineSati­re-Auftritt „Die Tagespress­e“bewegt sich auf einem schmalen Grat. Eindeutig: Ja, wenn seine Beiträge ohne den unmissvers­tändlichen Satirekont­ext weitergele­itet werden. SN: Reicht der Hausversta­nd, um sich sicher in den angeblich sozialen Netzwerken zu bewegen? Ja, wenn Hausversta­nd bedeutet, kritisch zu hinterfrag­en, ob etwas wahr sein kann und einen guten Umgangston zu pflegen. SN: Wäre es ein guter Tipp, auf Facebook alles zu unterlasse­n, was ich auch im persönlich­en Gespräch vor Zeugen nie äußern würde? Das ist ein guter Richtwert – sich so zu verhalten wie bei einem Vier-Augen-Gespräch in der Öffentlich­keit. Und vor allem: Nichts teilen, von dem ich nicht sicher sein kann, dass es wahr ist.

Zur Person: Maria Windhager

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BILD: SN/FOTOLIA
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Rechtsanwä­ltin in Wien und seit der Dissertati­on über Meinungsfr­eiheit und Ehrenschut­z auf Medienfrag­en spezialisi­ert.

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