Dem Ziel einen Schritt näher
Marcel Hirscher baute mit Rang drei seinen Vorsprung im Weltcup weiter aus. Doch wieder lief es erst im zweiten Lauf und wieder war der Franzose Alexis Pinturault unschlagbar.
Wenn Marcel Hirscher in zwei Wochen in St. Moritz zum fünften Mal in Serie die große Kristallkugel überreicht bekommt – woran eigentlich immer weniger Zweifel bestehen –, dann wird er an eine aufreibende Saison zurückdenken. Der Winter 2015/16 ist für Hirscher kein Selbstläufer, es ist ein Triumph des Willens, weniger der Leichtigkeit.
Auch in Kranjska Gora war dies am gestrigen Freitag nicht anders: Hirscher fluchte und schimpfte vor dem ersten Lauf (über die vom Neuschnee aufgeweichte und dann verkürzte Piste), war von seiner eigenen Leistung enttäuscht, drehte in der Pause wie üblich an vielen Materialschrauben und setzte wie so oft im zweiten Lauf zum Befreiungsschlag an: Mit Laufbestzeit sprang Hirscher von Rang sieben auf Rang drei und fand Laune und Schlagfertigkeit wieder. Warum er denn immer die ersten Läufe verschlafe, wollte ein etwas vorlauter slowenischer Reporter von Hirscher wissen. „Wenn ich aufstehe, sind die Letzten im Weltcup-Zirkus erst auf dem Weg ins Bett. Ich bin in jedem Lauf hellwach, aber ich kann nicht jeden Lauf gewinnen“, konterte Hirscher, der aber zugab: „Ja, im ersten Lauf habe ich heuer oft Probleme gehabt.“
Probleme, die der penible Materialtüftler Hirscher, der mitunter schon einmal unter dem Einfahren den Skischuh wechselt, immer zu lösen wusste. Das ist nicht nur ein Zeichen von Klasse, sondern zeugt von einem unglaublichen Gefühl für Ski und Abstimmung.
Das Resümee nach einem anstrengenden und hektischen Tag für Hirscher fiel somit positiv aus: „Ein Podium und 60 Punkte für den Weltcup. Aber ich will gar nicht wissen, wie viel ich jetzt vorn bin.“Es sind 293 Zähler, macht er im heutigen Riesentorlauf (9.30, 12.30) acht Punkte mehr als Kristoffersen, dann kann ihn der Norweger nicht mehr überholen. Rein theoretisch könnte ihn auch noch der neue Se- riensieger Alexis Pinturault (FRA) gefährlich werden, doch der beschränkt sich selbst. „Ich werde die Rennen in Norwegen auslassen“, bestätigte der Franzose nach seinem vierten Riesentorlaufsieg in Folge. Damit ist auch er aus dem Rennen. Pinturaults wahres Ziel ist klar: Bei nur mehr 91 Punkten Rückstand auf Hirscher in der Riesentorlaufwertung will er die Disziplinenwertung holen. „Wenn er so weiter- siegt, ist er ja auch ein verdienter Champion“, meinte Hirscher, der sich im Zielraum mächtig mit Philipp Schörghofer gefreut hat (siehe Skizirkus). „Er ist ein Vorbild an Kampfgeist.“
Das gilt und galt auch immer für Ivica Kostelic und Reinfried Herbst, die sich Sonntag im Slalom aus dem Weltcup verabschieden – nach zwölf (Kostelic) bzw. neun (Herbst) Knieoperationen.