Glück ist mehr als Glückssache
Alle Menschen wollen glücklich sein. Aber Glück ist nicht leicht zu fassen: Es ist einerseits mehr als Zufall, doch wenn man glaubt, man könne es sich andererseits hart erarbeiten, dann entwischt es wieder.
SN: Sie halten wenig von professionellen Besserwissern und Gurus, die anderen vorschreiben, was Glück ist. Wie definieren Sie Glück? Lütz: Glücksdefinitionen machen unglücklich. Denn wenn ein selbst ernannter Glücksexperte beschreibt, wie er persönlich glücklich wurde, bleibt der Leser natürlich unglücklich zurück, weil er leider nun einmal nicht der Autor ist – und kann gleich den nächsten Glücksratgeber kaufen. In Wahrheit gibt es so viele unterschiedliche Definitionen von Glück, wie es Menschen gibt. Glück ist nämlich etwas sehr Persönliches. SN: In Ihrem Buch geht es auch um das Glück, doch sie gehen an dieses schwierige Thema anders heran . . . Mein Buch erzählt in Form einer kleinen Geschichte der Philosophie des Glücks unterhaltsam und allgemein verständlich unter anderem, was die gescheitesten Menschen der Welt über das Glück gedacht haben. Das sind ganz unterschiedliche Gedanken, und jeder Leser kann dann selbst aussuchen, was für ihn passt. Der Titel „Wie Sie unvermeidlich glücklich werden“ist natürlich etwas ironisch gemeint, gegen den ganzen Glücksratgeber- Tsunami, aber er hat auch einen ernsten Kern. Der Philosoph Karl Jaspers hat gesagt, die Grenzsituationen menschlicher Existenz, also Leid, Schuld, Kampf und Tod seien unvermeidlich und wenn man zeigen könnte, wie man in diesen unvermeidlichen Situationen glücklich sein könne, dann könne man unvermeidlich glücklich werden. SN: Es gibt keine Rezepte, wie man glücklich sein kann, doch ein paar ganz wesentliche Zutaten. Welche sind das Ihrer Meinung nach? Jetzt wollen Sie doch Ratschläge. Mein Buch ist aber ein Antiratgeber, sozusagen ein Glücksbuch für Schwaben, denn danach brauchen Sie keine Ratgeber zu kaufen und sparen so ziemlich viel Geld. Um glücklich zu sein, sollte man erst einmal keine Glücksratgeber kaufen und sich überhaupt klarmachen, dass der einzige Experte für das eigene Leben und für das eigene Glück man selbst ist. Man kann sich Anregungen holen, aber ob die hilfreich sind, das muss man ganz selbstbewusst selbst entscheiden. Und vor allem kann es nicht bloß um Glücksgefühle gehen, die kann man bekanntlich am besten durch Heroin herstellen, allerdings mit erschütternden Nebenwirkungen. Es macht aber nicht wirklich glücklich, in einem Egotrip möglichst viele Glücksgefühle zusammenzuraffen.
Der Mensch ist vielmehr ein soziales Wesen. Unser Dorf im Rheinland ist glücklicher, seit wir Flüchtlinge haben, denn Menschen in Not zu helfen erlebt man als in sich sinnvoll und das macht glücklich. Im Übrigen machen auch der Trend zur Selbstoptimierung und die grassierende Castingmentalität unglücklich. Wenn man sich dauernd mit anderen vergleicht, die eben andere Fähigkeiten haben als man selbst, schätzt man die eigenen Fähigkeiten nicht mehr und wird unglücklich. SN: Lässt sich Glücklichsein üben? Platon hat gesagt: Die ständige Sorge um die Gesundheit ist auch eine Krankheit. Und wer sich dauernd mit dem Glück beschäftigt, wird wahrscheinlich unglücklich. Es gibt ja inzwischen Glücksunterricht in manchen Schulen. Ich bin da etwas skeptisch. Natürlich ist es gut, einmal ermutigender mit Schülern umzugehen, aber das sollte man nicht nur im Glücksunterricht machen, sondern in allen Fächern. SN: Ist Glück ein anderes Wort für Anpassungsfähigkeit? Nein, es gibt Leute, die sich glücklich irgendwie durchs Leben schlängeln, aber auch solche, die Widerstand leisten und dabei glücklich sind. SN: Wird man mit Hilfe einer Psychotherapie glücklicher? Psychotherapie hat nicht die Aufgabe, Menschen glücklich zu machen, sondern psychische Krankheiten zu heilen. Auf diese Weise werden Menschen gewiss weniger unglücklich. Doch andererseits gibt es eine populäre, aber falsche Vorstellung der Leute von Psychotherapie, als müsse man da dauernd über seine eigenen Defizite, vor allem über die frühe Kindheit reden. Doch das ist Unsinn und wir müssen manchmal viel Zeit und Kraft darauf verwen- den, den Scheinwerfer der Patienten wieder auf ihre eigenen Kräfte und Fähigkeiten zu lenken. Wenn das gelingt, dann sind die Symptome oft ganz schnell verschwunden. Das Problem ist heute aber vielfach, dass Menschen psychotherapeutisch behandelt werden, die Lebensschwierigkeiten haben und gar nicht wirklich krank sind. Die nehmen den wirklich Kranken die Therapieplätze weg.
Manfred Lütz