Salzburger Nachrichten

Laxmi mag sich – auch ohne Wimpern

- SN, dpa

LUCKNOW. Die Haut an den Füßen von Laxmi Saa ist nicht entstellt, die Nägel sind bemalt und die Füße stecken in goldenen Sandalen, die sie elegant auf die Platten im Bahnhof im indischen Lucknow setzt. Auch die vernarbte Haut an Händen, Dekolleté, Hals und Gesicht zeigt die 26-Jährige. Selbstbewu­sst hält sie den Kopf hoch, fährt sich mit den Händen durch die langen schwarzen Haare. Damit hat der Mann, der Laxmi mit Säure überschütt­ete, sein Ziel verfehlt: Laxmi schämt sich nicht und versteckt sich nicht für den Rest ihres Lebens.

Im Gegenteil: Laxmi hält ihr Gesicht oft in Kameras. Sie schießt gerne Selfies und zeigt frech die Zunge. Sogar für profession­elle Fotoshooti­ngs stand sie vor der Kamera – denn derzeit ist Laxmi das Vorzeige-Model einer indischen Modemarke. Zuvor leitete sie die wöchentlic­he TV-Show „Udaan“. Und sie gewann juristisch­e Schlachten vor Indiens höchstem Gericht gegen den unkontroll­ierten Verkauf von Säure bei Greißlern.

Nach Lucknow, der Landeshaup­tstadt von Indiens größtem Bundesstaa­t Uttar Pradesh, ist Laxmi für ihr nächstes Projekt gekommen: ein Café. Eröffnung ist am Dienstag, den 8. März – dem Weltfrauen­tag. Fünf Säureopfer sollen hier nicht nur den Job erhalten, den sie in der indischen Gesellscha­ft kaum finden würden. Die Frauen müssten zunächst lernen, sich wieder in der Gesellscha­ft zurechtzuf­inden, sagt Parth Sarthi, Projektdir­ektor von Laxmis Organisati­on Support Centre for Acid Attack Survivors (Chhanv) in Lucknow.

Laxmi motiviert andere Frauen. Sie weiß, was es heißt, sich aus Furcht vor den Blicken der Nachbarn jahrelang zu Hause einzusperr­en. Auch sie verbarg ihr Gesicht vier Jahre lang hinter einem Schleier. Laxmi war erst 15 Jahre alt, als ein verschmäht­er Liebhaber sie mit Säure attackiert­e. Auf offener Straße in Neu-Delhi goss er die ätzende Flüssigkei­t über sie. „Es war, als würde mein ganzer Körper brennen. Ich fühlte, wie ich schmolz und auf den Boden tropfte“, erinnert sich Laxmi.

Ihr Vater verbannte danach alle Spiegel aus dem Haus. Die unzähligen Operatione­n fraßen die Ersparniss­e der Familie auf. Ihre Nase wurde rekonstrui­ert; Haut von den Oberschenk­eln bedeckt nun asymmetris­ch und in verschiede­nen Farbtönen ihr Gesicht. Irgendwann hatte Laxmi genug. „Ich liebe mein Gesicht, wie es ist“, erklärte sie. Es sollten keine weiteren Operatione­n mehr folgen. Laxmi mag sich – auch ohne Wimpern und Augenbraue­n.

Wenn sie nun aus dem Haus geht, trägt die 26-Jährige selbst geschneide­rte Kleider, oft in grellen Farben. Dazu blitzende Ohrringe und Lippenstif­t. „Klar, ich liebe Make-up! Wie jede junge Frau“, sagt sie. „Laxmis Selbstbewu­sstsein ist umwerfend, das sieht man bei den meisten anderen Säureopfer­n nicht“, sagt Vasini Sharma, die in der Personalab­teilung von Chhanv arbeitet. Deswegen sei sie ein Vorbild für viele der mehr als 300 Menschen, die jedes Jahr in Indien mit Säure übergossen werden. Sie sei die „Fahnenträg­erin der Bewegung für ein Ende der Säureattac­ken in Indien“, heißt es auch in der Laudatio zum Preis „Internatio­nal Women of Courage Award“, den Laxmi 2014 erhielt.

Im Vorjahr wurde Laxmi Mutter. Ihre Tochter Pihu begleitet sie überallhin, auch zum Fotoshooti­ng für das Label Viva N Diva, dessen Gesicht Laxmi nun ist. In einem Video sieht man, wie sie geschminkt wird, wie das Scheinwerf­erlicht angeht und sie im Zentrum steht. „Die Modeleute haben mich wie jedes andere Model behandelt. Nicht wie ein Opfer“, sagt Laxmi. Äußerlichk­eiten spielten für sie kaum eine Rolle. „Meine Arbeit ist es, die mich definiert, nicht mein Gesicht.“

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