Sitzfußball und Plombenzieher
ICHwundere mich. Darüber, wie intensiv so manches, wahrlich nicht so bedeutsames Erlebnis in meiner Erinnerung fix verankert ist. In allen Details. Auch wenn seither bereits mehrere Jahrzehnte vergangen sind. An ein im Sitzfußball-Match (wer spielt heute noch Sitzfußball?) in der Volksschule erzieltes Bein-über-Kopf-Volleytor beispielsweise. Oder an das ungute Gefühl, in die mit der Zeit nass gewordenen roten Wollhandschuhe zu beißen, so geschehen beim ersten Schulskikurs im Jahre Schnee.
Mein Gott, ist das alles lange her. Und doch so nah. Der Kauf der ersten Schallplatte im Großkaufhaus etwa. Erst hörte ich mir einige Singles an, nicht via Kopfhörer, sondern mit einem an einen flachen Telefonhörer er- innernden Lautsprechergerät und schon wanderte „Kiss and Say Goodbye“von The Manhattans (wer kennt die heute noch?) über den Ladentisch. Vielleicht hatte ja der Aufkleber „Nr. 1 Hit in den USA“den Ausschlag gegeben. Das Empfinden, mit diesem Kauf als Zwölfjähriger den Aufstieg in die Liga der Erwachsenenwelt geschafft zu haben, ist mir immer noch gegenwärtig.
Oder: der würzige Geschmack der sonntäglichen Frittatensuppe, serviert in silbrigen, bauchig-ausgebeulten Suppenportionierern (wer verwendet diese Küchenutensilien heute noch?) im Stammbeisl der Eltern. Einzigartig. Oder der Versuch, die von der TV-Sendung „Aktenzeichen XY“(wer hat sich einst nicht gefürchtet, wenn es hieß: „Plötzlich machte der Spaziergänger eine grausige Entdeckung“?) massiv genährten Ängste beim nächtlichen Heimweg dadurch zu überspielen, dass ich mich in eine Scheinwelt als gefeierter Geher bei Olympischen Spielen imaginierte. Ein gemurmelter Kommentar eines fiktiven Sportreporters („Er liegt schon wieder auf Rekordkurs! Wahnsinn!“) vertrieb, oder besser gesagt, überdeckte die Furcht.
Ich wundere mich wirklich, warum ich heute noch exakt weiß, wie die MannerKaramellen (Die köstlichen Plombenzieher dürften einigen heute noch bekannt sein), Schwedenbomben und Schokobananen neben der alten Registrierkasse des Greißlers angeordnet waren. Und wie das alles gerochen hat. Nutzloses Wissen fördert die Melancholie. Bitter und süß.