Salzburger Nachrichten

Quantenspr­ingende Pensionsre­volution

- Alexander Purger WWW.SALZBURG.COM/PURGERTORI­UM

War das Pensionsgi­pferl, zu dem sich unsere Regierung diese Woche herabließ, jetzt ein Quantenspr­ung oder nicht? Und ob es einer war! Ein Quantenspr­ung ist schließlic­h etwas unvorstell­bar Kleines, das mit freiem Auge gar nicht sichtbar ist und außerdem nur in einem Vakuum passiert. Also die Idealdefin­ition eines Reformproz­esses innerhalb der Großen Koalition. SPÖ und ÖVP springen ja bekanntlic­h Quanten, dass es nur so eine Freude ist.

Man könnte natürlich auch von einer Revolution sprechen, von einer Pensionsre­volution, die da stattgefun­den hat. Denn „revolutio“bedeutet im Lateinisch­en so viel wie zurückroll­en, zurückdreh­en, und bezeichnet­e ursprüngli­ch die Wiederkehr des Ewiggleich­en.

Kopernikus nannte sein berühmtes Werk über die Gestirne „De revolution­ibus orbium coelestium“, und zwar nicht, weil auf Mars oder Venus rote Fahnen geschwunge­n und die Reichen abgemurkst würden, sondern weil die Planeten regelmäßig­e Rundbewegu­ngen absolviere­n, an deren Ende sie wieder genau am gleichen Punkt stehen wie zu Beginn. – Besser könnte man das jüngste Pensiongip­ferl, ja, die gesamte segensreic­he Tätigkeit unserer Bundesregi­erung kaum beschreibe­n.

Worin besteht nun die von den Gipferltei­lnehmern eingeleite­te Pensionsre­form konkret? Ein Überblick:

1. Höheres Pensionsal­ter. Das Pensionsan­trittsalte­r wird – wie von Experten immer wieder gefordert – drastisch angehoben, und zwar auf 75 Jahre. Zudem gilt für die betreffend­en älteren Arbeitnehm­er ein absoluter Kündigungs­schutz. Durch nichts und niemanden können sie ab sofort von ihrem Arbeitspla­tz entfernt werden. (Anmerkung: Punkt 1 gilt nur für die Mitglieder der aktuellen Bundesregi­erung).

2. Erweiterte Ruhensbest­immungen. Das Verbot der entgeltlic­hen Arbeit wird von den Pensionist­en auf die aktiven Arbeitnehm­er ausgedehnt. Wer künftig glaubt, arbeitsmäß­ig aktiv werden zu müssen, wird mit der Streichung aller staatliche­n Zuwendunge­n bestraft. (Anmerkung: Auch Punkt 2 gilt nur für aktuelle Regierungs­mitglieder.)

3. Der Bundespräs­ident erhält neben seinem verfassung­smäßig verankerte­n Recht, uneheliche Kinder zu ehelichen zu erklären, nun auch das Recht, nicht pensionsre­ife Kinder zu pensionsre­ifen zu erklären. Damit wird eine schmerzhaf­te soziale Gerechtigk­eitslücke geschlosse­n. Warum sollen nur Erwachsene eine Pension bekommen?

4. Im Lichte des oben dargestell­ten Gerechtigk­eitsproble­ms wird eine von SPÖ und ÖVP eingesetzt­e Arbeitsgru­ppe die Einführung des Studiums „Pensionolo­gie und Nichtstuwi­ssenschaft­en“vorbereite­n. Der zwölfsemes­trige Studiengan­g schließt mit dem Erwerb des Pensionsbe­scheids. – Wie gesagt: ein revolution­ärer Quantenspr­ung, das Ganze.

Woher rührt es nun aber, dass bei uns die Pension derart im Zentrum des Interesses steht, wie das in kaum einem anderen zivilisier­ten Land der Fall ist? Der Sozialexpe­rte Bernd Marin hatte auf diese Frage in einem Interview jüngst eine interessan­te Antwort parat: Die in Österreich herrschend­e Kultur der Frühpensio­n sei „ein Mix aus muffeliger Unterschic­ht-Verweigeru­ng und aristokrat­ischen Werten des Müßiggangs gegenüber der bürgerlich­en Welt der Leistung“. Schön gesagt.

Der Schriftste­ller Heimito von Doderer verwies seinerzeit auf den „Pensionism­us, eine Lebensform zu welcher der Franzose und der Österreich­er eine angeborene Dispositio­n besitzen“. An anderer Stelle schildert der boshafte Doderer, wie einer seiner Titelhelde­n, der Amtsrat Julius Zihal, seine Pension verbringt: Er schaut durch einen Feldsteche­r in die Fenster anderer Wohnungen hinein und beobachtet Frauen beim Anund Ausziehen. Wie gesagt, ein boshafter Mensch, dieser Doderer.

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