Quantenspringende Pensionsrevolution
War das Pensionsgipferl, zu dem sich unsere Regierung diese Woche herabließ, jetzt ein Quantensprung oder nicht? Und ob es einer war! Ein Quantensprung ist schließlich etwas unvorstellbar Kleines, das mit freiem Auge gar nicht sichtbar ist und außerdem nur in einem Vakuum passiert. Also die Idealdefinition eines Reformprozesses innerhalb der Großen Koalition. SPÖ und ÖVP springen ja bekanntlich Quanten, dass es nur so eine Freude ist.
Man könnte natürlich auch von einer Revolution sprechen, von einer Pensionsrevolution, die da stattgefunden hat. Denn „revolutio“bedeutet im Lateinischen so viel wie zurückrollen, zurückdrehen, und bezeichnete ursprünglich die Wiederkehr des Ewiggleichen.
Kopernikus nannte sein berühmtes Werk über die Gestirne „De revolutionibus orbium coelestium“, und zwar nicht, weil auf Mars oder Venus rote Fahnen geschwungen und die Reichen abgemurkst würden, sondern weil die Planeten regelmäßige Rundbewegungen absolvieren, an deren Ende sie wieder genau am gleichen Punkt stehen wie zu Beginn. – Besser könnte man das jüngste Pensiongipferl, ja, die gesamte segensreiche Tätigkeit unserer Bundesregierung kaum beschreiben.
Worin besteht nun die von den Gipferlteilnehmern eingeleitete Pensionsreform konkret? Ein Überblick:
1. Höheres Pensionsalter. Das Pensionsantrittsalter wird – wie von Experten immer wieder gefordert – drastisch angehoben, und zwar auf 75 Jahre. Zudem gilt für die betreffenden älteren Arbeitnehmer ein absoluter Kündigungsschutz. Durch nichts und niemanden können sie ab sofort von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden. (Anmerkung: Punkt 1 gilt nur für die Mitglieder der aktuellen Bundesregierung).
2. Erweiterte Ruhensbestimmungen. Das Verbot der entgeltlichen Arbeit wird von den Pensionisten auf die aktiven Arbeitnehmer ausgedehnt. Wer künftig glaubt, arbeitsmäßig aktiv werden zu müssen, wird mit der Streichung aller staatlichen Zuwendungen bestraft. (Anmerkung: Auch Punkt 2 gilt nur für aktuelle Regierungsmitglieder.)
3. Der Bundespräsident erhält neben seinem verfassungsmäßig verankerten Recht, uneheliche Kinder zu ehelichen zu erklären, nun auch das Recht, nicht pensionsreife Kinder zu pensionsreifen zu erklären. Damit wird eine schmerzhafte soziale Gerechtigkeitslücke geschlossen. Warum sollen nur Erwachsene eine Pension bekommen?
4. Im Lichte des oben dargestellten Gerechtigkeitsproblems wird eine von SPÖ und ÖVP eingesetzte Arbeitsgruppe die Einführung des Studiums „Pensionologie und Nichtstuwissenschaften“vorbereiten. Der zwölfsemestrige Studiengang schließt mit dem Erwerb des Pensionsbescheids. – Wie gesagt: ein revolutionärer Quantensprung, das Ganze.
Woher rührt es nun aber, dass bei uns die Pension derart im Zentrum des Interesses steht, wie das in kaum einem anderen zivilisierten Land der Fall ist? Der Sozialexperte Bernd Marin hatte auf diese Frage in einem Interview jüngst eine interessante Antwort parat: Die in Österreich herrschende Kultur der Frühpension sei „ein Mix aus muffeliger Unterschicht-Verweigerung und aristokratischen Werten des Müßiggangs gegenüber der bürgerlichen Welt der Leistung“. Schön gesagt.
Der Schriftsteller Heimito von Doderer verwies seinerzeit auf den „Pensionismus, eine Lebensform zu welcher der Franzose und der Österreicher eine angeborene Disposition besitzen“. An anderer Stelle schildert der boshafte Doderer, wie einer seiner Titelhelden, der Amtsrat Julius Zihal, seine Pension verbringt: Er schaut durch einen Feldstecher in die Fenster anderer Wohnungen hinein und beobachtet Frauen beim Anund Ausziehen. Wie gesagt, ein boshafter Mensch, dieser Doderer.