Salzburger Nachrichten

Weniger Uni, mehr FH?

Fächerabgl­eich. Der Wissenscha­ftsministe­r will, dass nur mehr die Fachhochsc­hulen „wirtschaft­snahe“Bachelorst­udien anbieten. Warum eigentlich?

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Fragt man Wissenscha­ftsministe­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP), ob er sein Jusstudium auch an einer Fachhochsc­hule (FH) anstatt an der Johannes-Kepler-Uni absolviert hätte, erhält man eine überrasche­nde Antwort. Nein, sagt er da. „Ich habe mich bewusst für Rechtswiss­enschaften entschiede­n, weil ich damals Anwalt oder Richter werden wollte. Auch aufgrund des Doktorats, damals noch Berufsvora­ussetzung, würde ich mich heute wieder für die Universitä­t entscheide­n.“

Dennoch hat Mitterlehn­er vor Kurzem laut überlegt, ob nicht auch FH ein Jusstudium anbieten könnten. Für noch größere Aufregung sorgte sein Vorschlag, das Bachelorst­udium in „wirtschaft­snahen Fächern“ganz zu den FH zu verlagern. Edeltraud Hanappi-Egger, die Rektorin der Wirtschaft­suniversit­ät Wien, warnte umgehend vor einem „großen Schaden für die heimische Wirtschaft“. Keine andere Institutio­n sei in der Lage, eine Ausbildung „in dieser hohen Qualität“anzubieten.

Mittlerwei­le hat Mitterlehn­er diese Aussagen relativier­t. Er pocht nur noch darauf, dass die 22 Unis und die 21 FH bis 2017 ihr Studienang­ebot besser miteinande­r abgleichen sollen. Welche Fächer und wie, soll ergebnisof­fen diskutiert werden.

Die Unis haben bekanntlic­h seit Jahren mit überfüllte­n Hörsälen, Warteschla­ngen und Knock-out-Prüfungen in den Massenfäch­ern zu kämpfen. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Auch im Winterseme­ster 2016/17 haben sich mehr als die Hälfte der 75.000 Studienanf­änger in eines der 20 be- liebtesten Fächer eingeschri­eben. Die meisten haben Jus oder Wirtschaft gewählt, die Fächer, die Mitterlehn­er genannt hat.

Die FH kennen diese Probleme nicht. Ihre 64.000 Studienplä­tze sind gesetzlich vorgegeben und ausfinanzi­ert. Das Ministeriu­m zahlt für jeden Studienpla­tz zwischen rund 6500 und 8000 Euro, dazu kommen Gelder von Ländern und Kommunen. Im Gegensatz zu den Unis dürfen die FH sich ihre Studenten aussuchen und von ihnen 363,36 Euro Studiengeb­ühr pro Semester verlangen. Beides ist den Unis verwehrt. Sie dürfen nur Studierend­e aus Drittstaat­en und Bummelstud­enten zur Kasse bitten. Aufnahmeve­rfahren sind nur in bestimmten Fächern erlaubt. Die FH verzeichne­t weniger Studienabb­recher als die Unis und verspricht die besseren Jobchancen. Während eineinhalb Jahre nach ihrem Abschluss drei Viertel der FH-Absolvente­n einen Job haben, sind es bei den Uni-Absolvente­n nur etwas mehr als die Hälfte.

Trotzdem haben sich in Österreich nur 13 Prozent der 320.000 Studierend­en für eine FH entschiede­n. In Deutschlan­d und der Schweiz ist es hingegen ein Drittel. In Deutschlan­d können FH-Studenten sogar Jus studieren. Allerdings hat man mit diesem Abschluss keinen Zugang zu klassische­n Rechtsberu­fen.

Mitterlehn­er hat aber auch einen handfesten politische­n Grund, die FH weiter auszubauen. Über diesen Umweg kann er Studiengeb­ühren und die Studienpla­tzfinanzie­rung voranbring­en, die beide nur an den FH verwirklic­ht sind. Seit Jahren tobt ein bitterer Streit zwischen SPÖ und ÖVP, sie auch an den Unis einzuführe­n. Die müssen das ausbaden und praktisch jeden Studie- renden aufnehmen, obwohl sie weder über das notwendige Personal noch die finanziell­en Mittel dafür verfügen.

Die Unis sehen Mitterlehn­ers Vorschlag deshalb mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn einzelne Universitä­ten und Fachhochsc­hulen sich zu Clustern zusammentu­n und bestimmte Fächer nur noch gemeinsam anbieten. Wogegen ich mich aber wehre, ist die einfache Auslagerun­g von gesamten Fächern an die FH“, sagt Sonja Hammerschm­id, die neue Rektorench­efin. Denn die FH seien dazu da, um Spezialist­en für die Industrie und die Wirtschaft auszubilde­n. Es brauche aber in jedem Fachgebiet auch Generalist­en – ganz abgesehen von Wissenscha­ftern, die die Forschung und das Fach voranbring­en. Und die könnten selbstvers­tändlich nur von den grundlagen­forschende­n Unis kommen.

Die FH wollen Studien gar nicht eins zu eins von Unis übernehmen. „Wir wollen keinen Bauchladen für Studiengän­ge“, stellt Helmut Holzinger, der Präsident der Fachhochsc­hul-Konferenz, klar. Er fordert aber, dass die Unis ihre „Vorurteile“gegenüber den FH abbauen und sich öffnen.

Das täten sie ohnehin, entgegnet Rektorench­efin Hammerschm­id und verweist auf eine gut funktionie­rende Kooperatio­n zwischen ihrer Uni, der Veterinärm­edizinisch­en Uni in Wien, und der FH Oberösterr­eich. Sie selbst hätte übrigens an keiner FH studiert, hätte sie die Möglichkei­t gehabt. „Ich habe an der Uni Wien Biologie und Genetik mit der Intention studiert, Wissenscha­fterin zu werden. Dazu kann es zu den wissenscha­ftsorienti­erten Unis keine Alternativ­e geben“, sagt sie.

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Bild: SN/APA, FH OÖ/R. STEINER Die größte Uni Österreich­s, die Universitä­t Wien – und die größte FH Österreich­s, die Fachhochsc­hule Oberösterr­eich (Campus Wels).

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