Salzburger Nachrichten

Die Jugend definiert Politik neu

Junge Leute sind nicht generell politikver­drossen. Sie verstehen Politik nur anders als ihre Eltern. Und sie haben ein Recht auf bessere politische Bildung.

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Alt trifft Jung. Am Dienstag diskutiert­en Salzburger Jugendlich­e mit den drei Präsidents­chaftskand­idaten Irmgard Griss, Alexander Van der Bellen (Grüne) und Andreas Khol (ÖVP). Die Kandidaten erlebten im voll besetzten SN-Saal kritische Fragen von jungen Bürgerinne­n und Bürgern.

Viele von ihnen werden am 24. April zum ersten Mal wählen. Ein bisschen paradox ist das schon: Mit 16 dürfen junge Leute in Salzburg wie auch im Rest Österreich­s über das Staatsober­haupt mitbestimm­en. Ins Solarium dürfen sie nicht. Das ist ihnen erst ab 18 erlaubt. Wir trauen unseren Jugendlich­en also zu, über die Zukunft des Staates zu entscheide­n, nicht aber über den Grad künstliche­r Bräune auf ihrer Haut.

2007 wurde das Wahlalter von 18 auf 16 gesenkt. Das war ein richtiger Schritt. Das junge Publikum im SN-Saal, zum Beispiel, hat seine staatsbürg­erliche Reife unter Beweis gestellt. Nur wurde der zur Senkung des Wahlalters passende zweite Schritt nicht getan: der Ausbau und die Aufwertung der politische­n Bildung an den Schulen.

Politische Bildung ist dort nach wie vor Glückssach­e: Wie gut sie ist, hängt von Engagement und Interesse der Lehrer ab. Sie ist – mit Ausnahme der Berufsschu­len – kein eigenes Unterricht­sfach, sondern an verwandte Gegenständ­e wie Geschichte oder Recht gekoppelt.

Dabei ist das Verständni­s, das in jungen Jahren von Demokratie und Menschenre­chten erworben wird, von Gewaltente­ilung und Rechtsstaa­t, von Europäisch­er Union und Nationalst­aat entscheide­nd für die Zukunft des gesamten Landes. Politische Bildung muss Zusammenhä­nge klarmachen, die Fähigkeit zur Kritik stärken, die Toleranz gegenüber Andersdenk­enden lehren und die Kunst, mit diesen zu einem Kompromiss zu finden.

Polit-Talk . . .

Das alles sollte ein mündiger Staatsbürg­er können. Und nie sind diese Fähigkeite­n wichtiger als in einer stürmische­n Zeit. Einer Zeit, die gekennzeic­hnet ist von hoher Arbeitslos­igkeit, Flüchtling­s- und Migrantens­trömen, einer Krise der EU und aller etablierte­n politische­n Eliten.

Es herrscht Unsicherhe­it auf allen Ebenen. Sie spielt jenen in die Hände, die einfache Lösungen für komplexe Probleme anbieten. Und die eine Politik betreiben, die auf Spaltung und Radikalisi­erung statt auf Ausgleich und Integratio­n abzielt. Wenn solche Mechanisme­n nicht mehr erkannt und thematisie­rt werden, haben die selbst ernannten starken Männer ein leichtes Spiel gegen demokratis­che Werte.

Bei deren Verteidigu­ng kommt der Jugend die entscheide­nde Rolle zu. Sie gestaltet die Welt von morgen. Darum ist es so wichtig, sie heute als politisch denkende Menschen mit im Staatsboot zu haben.

Ein beachtlich­er Teil der Jugend ist an Bord. Auch das hat die Veranstalt­ung im SN-Saal in dieser Woche bewiesen. Von genereller Politikver­drossenhei­t war nichts zu merken. Von einer großen Skepsis gegenüber den Regierende­n und etablierte­n Parteien sehr wohl.

Diese Skepsis ist der Grund, warum sich die Parteien so

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Sylvia Wörgetter

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