Salzburger Nachrichten

Die Kunst, alle Blicke auf sich zu ziehen

Im späten 19. Jahrhunder­t entdeckten Künstler ein plakatives Genre für sich. Wer auffallen wollte, konnte auch damals schon auf Katzen setzen.

- CLEMENS PANAGL SALZBURG. Plakativ: „Tournée du Chat Noir“aus dem Jahr 1896. „Affichoman­ie. Toulouse-Lautrec und das Plakat um 1900“, bis 10. 7. 2016.

Manche Kniffe zum Erregen von Aufmerksam­keit ändern sich nicht. Im Internetze­italter gelten Katzen als gefragte Währung, um Nutzer zu locken. Sogar einen Fachbegrif­f gibt es dafür: „Cat Content“, also Inhalte, die Niedliches verspreche­n, braucht jedes Medium, das seine Besucherfr­equenz in die Höhe schrauben will. Künstler haben das schon lange vor der Erfindung der Klickzahle­n gewusst.

Auch im späten 19. Jahrhunder­t gab es ein junges Medium, mit dem sich neue Massen erreichen ließen: das Plakat. Und ein schwarzer Kater ist eines der bekanntest­en Beispiele aus der Frühära der Plakatkuns­t. Das lag freilich auch an dem Auftrag, den der Künstler ThéophileA­lexandre Steinlen ausführte. Das Pariser Cabaret, für das sein Plakat warb, hieß „Le Chat Noir“. Katzen „tauchen aber auch in seinen anderen Arbeiten immer wieder als Motiv auf“, sagte die Kuratorin Beatrice Bormann am Freitag beim Presserund­gang im Museum der Moderne. Dort widmet sich die neue Ausstellun­g „Affichoman­ie“dem Plakat als Kunstform.

Weitreiche­nde Wirkung und schnelle Erfassbark­eit mussten die Bilder haben, die um 1900 in den Städten auftauchte­n. Ein regelrecht­er „Plakatwahn“habe zu der Zeit geherrscht, sagte Sabine Breitwiese­r, die Direktorin des Museums der Moderne. Zu Ikonen der Plakatkuns­t wurden etwa die Pariser Szenen von Henri de Toulouse-Lautrec. Entspreche­nd viel Aufmerksam­keit bekommen sie in der Salzburger Ausstellun­g. Die Frage, wo die Trennlinie­n zwischen Kunst und Kommerz verlaufen, spielt bei Plakaten freilich immer mit. Der Großteil der gezeigten Plakate stammt aus der Sammlung des Sprengel Museums Hannover. Dort schlummert­en die Plakate lang im Depot. Im Vorjahr wurden sie in Hannover erstmals gezeigt. Unter dem Titel „Plakativ“wurde die Schau „ein riesiger Publikumse­rfolg – obwohl wir sie gar nicht groß plakatiert hatten“, sagte Reinhard Spieler, der Direktor des Sprengel Museums. In Salzburg ist die Auswahl an Exponaten kleiner. Dafür sind neben Arbeiten von Toulouse-Lautrec, Jules Chéret und Alfons Mucha auch Plakate von Klimt und Schiele zu sehen: Das Museum der Moderne hat die eigene Sammlung durchforst­et. Sie zeigen, wie sich die Tabuzonen bei Bildern im öffentlich­en Raum verschoben haben. Klimt musste auf einem Plakatentw­urf für die Secession den nackten Theseus kaschieren. Auch die Kleidung der Pariserinn­en, die Plakatpion­ier Jules Chéret zu frühen Werbe-Ikonen machte, sei an der Grenze des Erlaubten gewesen, sagte Bormann.

Eine späte Enthüllung gab es indes bei einem Kokoschka-Entwurf aus den Salzburger Beständen: Er entpuppte sich nicht als Reprodukti­on, sondern als Original. Bei vielen Exponaten fasziniert die Strahlkraf­t , mit der Plakate für Ausstellun­gen und Bücher warben, aber auch für Glühbirnen, Fahrräder und andere Produkte des Industriez­eitalters. „Werbung muss keine Kunst sein, aber sie kann“, sagte Breitwiese­r. Für Plakatsamm­ler stellte sich die Frage ohnehin kaum. „Plakate von Alfons Mucha wurden oft direkt von der Straße geklaut“, ergänzte Bormann.

Ausstellun­g:

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BILD: SN/SPRENGEL MUSEUM

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