Die Kunst, alle Blicke auf sich zu ziehen
Im späten 19. Jahrhundert entdeckten Künstler ein plakatives Genre für sich. Wer auffallen wollte, konnte auch damals schon auf Katzen setzen.
Manche Kniffe zum Erregen von Aufmerksamkeit ändern sich nicht. Im Internetzeitalter gelten Katzen als gefragte Währung, um Nutzer zu locken. Sogar einen Fachbegriff gibt es dafür: „Cat Content“, also Inhalte, die Niedliches versprechen, braucht jedes Medium, das seine Besucherfrequenz in die Höhe schrauben will. Künstler haben das schon lange vor der Erfindung der Klickzahlen gewusst.
Auch im späten 19. Jahrhundert gab es ein junges Medium, mit dem sich neue Massen erreichen ließen: das Plakat. Und ein schwarzer Kater ist eines der bekanntesten Beispiele aus der Frühära der Plakatkunst. Das lag freilich auch an dem Auftrag, den der Künstler ThéophileAlexandre Steinlen ausführte. Das Pariser Cabaret, für das sein Plakat warb, hieß „Le Chat Noir“. Katzen „tauchen aber auch in seinen anderen Arbeiten immer wieder als Motiv auf“, sagte die Kuratorin Beatrice Bormann am Freitag beim Presserundgang im Museum der Moderne. Dort widmet sich die neue Ausstellung „Affichomanie“dem Plakat als Kunstform.
Weitreichende Wirkung und schnelle Erfassbarkeit mussten die Bilder haben, die um 1900 in den Städten auftauchten. Ein regelrechter „Plakatwahn“habe zu der Zeit geherrscht, sagte Sabine Breitwieser, die Direktorin des Museums der Moderne. Zu Ikonen der Plakatkunst wurden etwa die Pariser Szenen von Henri de Toulouse-Lautrec. Entsprechend viel Aufmerksamkeit bekommen sie in der Salzburger Ausstellung. Die Frage, wo die Trennlinien zwischen Kunst und Kommerz verlaufen, spielt bei Plakaten freilich immer mit. Der Großteil der gezeigten Plakate stammt aus der Sammlung des Sprengel Museums Hannover. Dort schlummerten die Plakate lang im Depot. Im Vorjahr wurden sie in Hannover erstmals gezeigt. Unter dem Titel „Plakativ“wurde die Schau „ein riesiger Publikumserfolg – obwohl wir sie gar nicht groß plakatiert hatten“, sagte Reinhard Spieler, der Direktor des Sprengel Museums. In Salzburg ist die Auswahl an Exponaten kleiner. Dafür sind neben Arbeiten von Toulouse-Lautrec, Jules Chéret und Alfons Mucha auch Plakate von Klimt und Schiele zu sehen: Das Museum der Moderne hat die eigene Sammlung durchforstet. Sie zeigen, wie sich die Tabuzonen bei Bildern im öffentlichen Raum verschoben haben. Klimt musste auf einem Plakatentwurf für die Secession den nackten Theseus kaschieren. Auch die Kleidung der Pariserinnen, die Plakatpionier Jules Chéret zu frühen Werbe-Ikonen machte, sei an der Grenze des Erlaubten gewesen, sagte Bormann.
Eine späte Enthüllung gab es indes bei einem Kokoschka-Entwurf aus den Salzburger Beständen: Er entpuppte sich nicht als Reproduktion, sondern als Original. Bei vielen Exponaten fasziniert die Strahlkraft , mit der Plakate für Ausstellungen und Bücher warben, aber auch für Glühbirnen, Fahrräder und andere Produkte des Industriezeitalters. „Werbung muss keine Kunst sein, aber sie kann“, sagte Breitwieser. Für Plakatsammler stellte sich die Frage ohnehin kaum. „Plakate von Alfons Mucha wurden oft direkt von der Straße geklaut“, ergänzte Bormann.
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