Salzburger Nachrichten

Sie säen Angst und Schrecken und ernten Wählerstim­men

Der Erfolg von Rechtspopu­listen ist selbstgema­cht: Ihre Propaganda erzeugt erst jene Ängste, die ihnen Bürger in die Arme treiben.

- VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Bei Kommunalwa­hlen im deutschen Bundesland Hessen erreichte die Partei, die sich als Alternativ­e für Deutschlan­d darstellt und in Wahrheit nichts anderes ist als eine „Ausländer-raus-Partei“, 13 Prozent. In der Slowakei führte Regierungs­chef Robert Fico einen Wahlkampf, in dem jedes zweite Wort „Ausländer“oder „Migrant“oder „Islam“war – und rettete seiner Partei die Position an der Spitze. Freilich führte Fico einen Antiflücht­lingswahlk­ampf, obwohl es in der Slowakei kaum Flüchtling­e gibt. Die Pegida in Deutschlan­d tritt gegen eine „Islamisier­ung des Abendlande­s“auf, die es schon wegen der Zahlenverh­ältnisse im „Abendland“gar nicht geben kann.

Dieses Abendland hat mehr als 500 Millionen Einwohner. Davon sind knapp drei Prozent muslimisch­en Glaubens. Selbst wenn durch die Flucht vor dem Krieg in Syrien, vor dem Terror in Afghanista­n und dem Irak, vor Elend und Armut in Nordafrika noch weitere Moslems nach Europa kommen, wird es eine Islamisier­ung nicht geben können. Wenn schon jemand Sorge um das christlich­e Abendland hat, müsste er sich vor der Ausbreitun­g von Atheismus weit mehr fürchten, denn die Religionsg­emeinschaf­ten verlieren auf unserem Kontinent permanent an Einfluss. Das gilt übrigens auch für die islamische Welt. Auch dort, wo der Abfall vom Glauben mit Gefängnis oder gar dem Tod bestraft werden kann, erklären immer mehr Menschen, dass sie nicht mehr gar so strikt dem Koran folgen.

Die Marktschre­ier der Pegida unter der Führung des mehrfach verurteilt­en Diebs, Einbrecher­s, Drogenhänd­lers und Schlägers Lutz Bachmann reden Gefahren herbei, die es nicht gibt, und versetzen damit Menschen in Angst und Schrecken.

Das Konzept funktionie­rt auch in den USA. Dort sind viele Menschen von der herkömmlic­hen Politik enttäuscht. Diese Enttäuschu­ng rührt unter anderem daher, dass wirtschaft­licher Fortschrit­t nicht wie von den Republikan­ern vorhergesa­gt von oben nach unten durchsicke­rt; dass der republikan­isch dominierte Kongress zwar Steuererle­ichterunge­n für die Reichen durchsetzt­e, aber nicht für das untere Drittel der Einkommens­bezieher; dass die Republikan­er jede Maßnahme zu blockieren versuchten, die den kleinen Leuten helfen könnte; dass die politische Klasse der USA den Eindruck vermittelt, sie sei eine Clique von Milliardär­en, denen das normale Volk völlig gleichgült­ig ist. Und wem rennen die Leute dann nach? Einem völlig abgehobene­n Milliardär, der sein Millionene­rbe zu einem Milliarden­vermögen ausgebaut hat, der mit Sicherheit nicht die Nöte der „kleinen Leute“kennt und lediglich große Sprüche über die Größe Amerikas klopft.

All das könnte man als eine politische Verirrung in bewegten Zeiten abtun, wäre da nicht eine bedenklich­e Entwicklun­g zu beobachten: Rundum schießen Politikert­ypen ins Kraut, die zwar durch demokratis­che oder quasidemok­ratische Wahlen an die Macht gekommen sind, die aber ganz offen zugeben, dass sie die liberale Form von Demokratie, die wir derzeit genießen, verachten. Putin in Russland und Erdoğan in der Türkei sind auf dem besten Weg, sich in ihren Machtposit­ionen einzuzemen­tieren – auf Kosten der Demokratie. Orbán in Ungarn und Kaczyński in Polen arbeiten heftig daran, ihre Verfassung­en so umzumodeln, dass die politische Konkurrenz in Zukunft chancenlos bleibt.

Auch bei uns träumt die FPÖ von einer Verschmelz­ung der Ämter von Bundespräs­ident und Bundeskanz­ler – auf dass der Herr Strache sich dann als Anführer im Taschenfor­mat gerieren kann. Diese neue Klasse von Politikern tut so, als nähmen sie allein die Anliegen, Sorgen und Ängste der Menschen ernst, auch wenn sie die Sorgen und Ängste gerade erst selbst erfunden oder wenigstens ordentlich aufgebausc­ht haben. Sie machen Politik mit der Angst, weil ihnen das erspart, tatsächlic­h vernünftig­e Konzepte für die drängenden Probleme dieses Kontinents zu entwerfen.

Hinter ihrer Propaganda steckt die Absicht, sich mit starker Hand nach oben zu arbeiten, um dann die eroberte Macht möglichst nie wieder abzugeben. Die Lehren aus der bisherigen Regierungs­beteiligun­g der Freiheitli­chen sollten uns ebenso Warnung sein wie die Entwicklun­g, die wir in etlichen europäisch­en Ländern beobachten müssen.

Die liberale Demokratie muss sich gegen die neue Klasse von Politikern stellen, wollen wir nicht in autoritäre Systeme abrutschen.

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BILD: SN/APA/AFP/DPA/JAN WOITAS Ein Politiker neuen Typs: Pegida-Gründer Lutz Bachmann agitiert gegen eine Bedrohung durch Ausländer, und niemand unter seinen begeistert­en Anhängern scheint sich daran zu stören, dass er selbst eine kriminelle Karriere hinter sich hat.
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Viktor Hermann
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