Kein Frieden mit Assad
Vor dem Start der neuen Syrien-Verhandlungen beharren die Rebellen auf dem Abgang des Präsidenten. Doch das Regime ist dank russischer Hilfe derzeit in der Offensive.
Heute, Montag, sollen in Genf die Friedensgespräche für Syrien wieder aufgenommen werden. Die letzten zwölf Bürgerkriegsmonate, so 30 internationale Hilfsorganisationen in einem offenen Brief, seien „bisher die schlimmsten“gewesen. Eindringlich fordern sie die Großmächte und die Regionalmächte im Nahen Osten auf, nicht weiter „Öl ins Feuer zu gießen“. Wir beantworten an dieser Stelle zentrale Fragen zum aktuellen Syrien-Konflikt: Wie stabil ist denn die Waffenruhe in Syrien? Die von den USA und Russland durchgesetzte Feuerpause wird von knapp 100 Rebellengruppen, die sich zur „temporären Einstellung der Feindseligkeiten“verpflichtet haben, weitgehend eingehalten. Die Gewalt, betonte US-Außenminister John Kerry, sei um 80 bis 90 Prozent zurückgegangen. Zum Bruch der Waffenruhe kam es vor allem im Großraum Aleppo sowie an der tür- kisch-syrischen Grenze, wo islamistische Rebellengruppen gemeinsam mit der Al-Nusra-Front kämpfen. Der Al-Kaida-Ableger ist zusammen mit der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) explizit vom Waffenstillstand ausgenommen. Haben sich die Fronten während der fast zweiwöchigen Feuerpause verändert? Ja. Vor allem in Ostsyrien hat der IS erneut Gebiete an die von Kurden dominierten „Demokratischen Kräfte Syriens“(SDF) verloren. Mehr als 100 syrische Dörfer und Ortschaften sollen in diesen zwei Wochen Versöhnungsvereinbarungen mit dem syrischen Regime abgeschlossen haben. Hilfskonvois erreichen inzwischen häufiger die belagerten Städte. Haben sich die Aussichten auf Fortschritte bei den Genfer Gesprächen durch die Waffenruhe in Syrien verbessert? Nicht unbedingt. Die meisten Beobachter betonen, dass vor allem das Regime in Damaskus sowie Russland von der Feuerpause profitiert hätten. Die politischen Forderungen der Rebellen haben sich nicht verändert: Extremisten und Moderate bestehen auf Präsident Baschar al-Assads Abgang zu Beginn des Verhandlungsprozesses. Das aber lehnt das Regime in Damaskus strikt ab. Von wem werden die Rebellen in Genf politisch repräsentiert? Die meisten Rebellengruppen werden vom „Hohen Verhandlungskomitee“(HNC) vertreten, das im Dezember 2015 in Saudi-Arabien gebildet worden ist. Entsprechend groß ist der Einfluss der Regierung in Riad, mit der die politische Marschrichtung abgesprochen wird. Alle politischen Akteure hängen am Tropf der Großmächte USA und Russland oder der Regionalmächte Saudi-Arabien, Türkei und Iran. In diesem Ringen haben Russland und der Iran die Oberhand gewonnen. Die Türkei und Saudi-Arabien haben sich in Syrien verkalkuliert, wollen sich mit ihrer Niederlage aber nicht abfinden. Werden in Genf dennoch Pläne für ein Nachkriegssyrien diskutiert? So weit wird es wohl nicht kommen. Als Russland und die USA vor einigen Tagen eine Dezentralisierung oder Föderalisierung von Syrien zur Diskussion stellten, löste dies bei der Opposition einen Aufschrei der Empörung aus. Über die Zukunft Syriens, so der prosaudische HNC, müsse nach einem Abgang Assads das syrische Volk entscheiden. Die Türkei fürchtet einen kurdischen Separatstaat in Syrien. Sind überhaupt substanzielle Fortschritte bei den Genfer Gesprächen möglich? Sehr wahrscheinlich nicht. Auch die Agenda der UNO, in eineinhalb Jahren in Syrien Parlaments- und Präsidentenwahlen durchzuführen, ist unrealistisch. Ohne politische Fortschritte wird die am Samstag um 14 Tage verlängerte Waffenruhe nicht mehr lange halten. Alle Kriegsparteien lehnen substanzielle Kompromisse ab. Anstatt ernsthaft zu verhandeln, streben sie weiterhin eine militärische Lösung an.