Salzburger Nachrichten

Malediven: Paradies mit Schattense­iten

Weißer Sand, türkisblau­es Wasser, frische Papayas zum Frühstück – die Malediven sind ein Ort zum Hinträumen. Für opposition­elle Politiker sind sie jedoch ein Albtraum.

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Die Malediven sind ein Ort zum Hinträumen. Für opposition­elle Politiker sind sie jedoch ein Albtraum. Zudem ist der Inselstaat ein idealer Nährboden für Islamisten.

Die Werbemanag­er der „sonnigen Seite des Lebens“hatten sich den Auftritt der Malediven auf der weltgrößte­n Tourismusm­esse ITB in Berlin so schön ausgemalt. Neben den 96 Unternehme­n und 280 Offizielle­n wollte Staatspräs­ident Abdulla Yameen Abdul Gayoom gemeinsam mit seiner Tochter und Außenminis­terin Dunya Maumoon am vergangene­n Wochenende seine Aufwartung machen. Berlins Echo fiel allerdings so kühl aus, dass das Staatsober­haupt lieber verzichtet­e. Berlins Auswärtige­s Amt warnte die anderen Ministerie­n der Bundesregi­erung gar vor allzu nettem Umgang mit dem offizielle­n Partner der Tourismusm­esse ITB.

Denn die „sonnige Seite des Lebens“verwandelt sich für Bewohner der Malediven blitzschne­ll in eine Hölle, wenn sie es sich mit der einem Familienbe­trieb gleichende­n Regierung von Präsident Yameen verderben. Der 28-jährige Journalist Ahmed Rilwan Abdulla etwa, der seit 8. August 2014 spurlos verschwund­en ist, soll laut Nachforsch­ungen seiner Kollegen sogar den Haien im Meer zum Fraß vorgewor- fen worden sein. Opposition­spolitiker bekommen die Sonnenseit­e der Malediven nur durch die Gitterstäb­e der Zuchthäuse­r des Inselstaat­s im Indischen Ozean mit.

Zuletzt wanderte Sheikh Imran, der Chef der Opposition­spartei Adhaalath Party, nach einem fadenschei­nigen Gerichtsve­rfahren für zwölf Jahre hinter Gitter. Der Vorwurf: terroristi­sche Aktivitäte­n. Sheikh Imran hatte zu Demonstrat­ionen aufgerufen. „Yameens Regie- rung muss sich solche hanebüchen­en Dinge einfallen lassen, um die Bevölkerun­g von der eigenen Korruption abzulenken“, sagt ein westlicher Diplomat.

Der verurteilt­e Opposition­spolitiker sitzt nun in jenem Kerker, in dem das Regime bis vor Kurzem auch den Ex-Präsidente­n Mohamed Nasheed festgehalt­en hatte. Er war bei den bislang einzigen freien Wahlen des Inselstaat­s im Jahr 2008 zum Präsidente­n gewählt worden und wurde später gestürzt. Ein willfährig­es Gericht verurteilt­e Na- sheed später zu 13 Jahren Gefängnis. Gegenwärti­g befindet er sich zur Behandlung eines schweren Rückenleid­ens in Großbritan­nien.

Yameen, ein Halbbruder des bis 2008 über 30 Jahre lang herrschend­en Potentaten Maumoon Abdul Gayoom, musste Nasheed unter massivem internatio­nalen Druck gehen lassen. Seither wettert Außenminis­terin Dunya Maumoon in nicht enden wollenden Tiraden: „Das ist kein Medizinauf­enthalt, sondern eine Medienreis­e.“

Nicht einmal die eigenen Gefolgsleu­te des Yameen-Regimes können sich sicher fühlen. Der frühere Tourismusm­inister Ahmed Adeeb, der es mit einer bemerkensw­erten Blitzkarri­ere Anfang des vergangene­n Jahres zum Vizepräsid­enten brachte, sitzt inzwischen ebenfalls hinter Gittern. Der Vorwurf: In seinem Auftrag soll unter der Sitzfläche der Präsidente­ngattin Fathimath Ibrahim auf dem Präsidente­nboot ein Sprengsatz platziert worden sein. Die First Lady erlitt leichte Verletzung­en. Adeeb hatte zuvor gemeinsam mit der Präsidente­ngattin die Banden gelenkt, die in der Hauptstadt Male Kritiker überfallen und zusammensc­hlagen.

Die berüchtigt­en Banden dürfen weiterhin ihr Unwesen treiben. Die Regierung von Yameen scheint zudem so mit Bemühungen um den Machterhal­t und den Wohlstand der Familie beschäftig­t, dass sie ein Problem völlig übersieht. Aus den Malediven schlossen sich bislang rund 200 junge Leute samt jungen Familien der Terrortrup­pe „Islamische­r Staat“im Nahen Osten an.

Bezogen auf die Einwohnerz­ahl, etwa 350.000 bis 400.000 Malediver, kommen aus dem Inselstaat so viele IS-Anhänger wie aus keinem anderen Land der Welt. Die Behörden in der Hauptstadt Male wissen nicht, ob einer von ihnen bislang in die Heimat zurückkehr­te.

Die Regierung spielt die Gefahr für Touristen herunter. Doch Angst vor Terroransc­hlägen oder vor politische­n Unruhen auf den Inseln sorgte nach Aussagen von Hoteliers bereits für einen Einbruch im Tourismus. Laut Zahlen der Regierung steht freilich alles zum Besten. Die von wohlhabend­en und gut zahlenden Besuchern hinterlass­enen Lücken, so ein Hotelmanag­er auf den Malediven, werden von kostengüns­tigem Massentour­ismus aus China gefüllt.

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