Molenbeek droht auch in Österreich
In Wien treffen entwurzelte Menschen, darunter etliche junge Männer, auf eine blühende Extremistenszene. Was tun gegen diese gefährliche Mischung?
Das Bemühen der „Salzburger Nachrichten“, den Leserinnen und Lesern nicht nur Schreckensmeldungen zu bieten, sondern mit konstruktivem Journalismus zur Problemlösung beizutragen, fällt schwer in diesen Tagen. Wir berichteten über Brüssel und den Terror. Wir berichteten, dass in Wien ein Viertel der jungen Männer arbeitslos ist – also ohne Perspektiven, ohne Chancen, ohne Zukunft. Wir berichteten, dass in Wien jeder fünfte, der von der Pflichtschule abgeht, nicht sinnerfassend lesen (geschweige denn schreiben) kann. Wir berichteten, dass jeder zweite Flüchtling, dem Österreich Asylstatus zuerkennt, früher oder später in der Bundeshauptstadt landet. Wir berichteten von einem ehrenamtlichen Deutschlehrer in Oberösterreich, der seine Integrationsbemühungen einstellte, weil es einen Großteil seiner jungen Schützlinge nach Wien in Richtung ungekürzter Mindestsicherung gezogen habe.
Kurzum: Wir berichteten, dass in der Bundeshauptstadt – und wohl in etlichen anderen urbanen Zentren des Landes – eine soziale Zeitbombe tickt.
Die Lektüre anderer Blätter war kaum geeignet, die Stimmung zu verbessern. Man nehme den „Kurier“, der dieser Tage ein Interview mit dem Islam-Experten Ahmad Mansour brachte. Der eigentliche Kampf gegen den Islamismus finde „in Wien, in Berlin, in Brüssel“statt, sagte der Experte. In diesen Städten „gibt es die Basis, da sind die Jugendlichen, die sich radikalisieren können oder schon radikalisiert sind.“
Das bedeutet: In der Bundeshauptstadt, und wohl in etlichen anderen urbanen Zentren des Landes, treffen arbeitslose, ungebildete, entwurzelte Menschen, darunter ein Gutteil junger Männer, auf eine blühende Extremistenszene. Wien darf nicht Brüssel werden? Wien ist auf dem besten Weg dazu. Was gestern in Anderlecht und Molenbeek passierte, wo Terrorverdächtige lebten wie Fische im Wasser, kann morgen in Simmering und RudolfsheimFünfhaus passieren. Oder in Graz. Oder in Wels.
Haben wir eine Chance, die Zeitbombe zu entschärfen? Ja, das haben wir. Aber nicht, wenn wir die bisherige Politik fortsetzen. Eine Politik, die darin besteht, Probleme zu leugnen („es gibt in Wien keine islamischen Kindergärten“). Eine Politik, die glaubt, die Parallelgesellschaften mittels leistungsfreier Geldzuwendungen bei Laune halten zu können. Eine Politik, die es zulässt, dass in den Flüchtlingslagern Tausende junge Männer aus fremden Kultur- kreisen beschäftigungslos herumsitzen. Eine Politik, die zwar das Binnen-I und die Frauenquote wie ein Banner vor sich herträgt, die aber nichts dagegen hat, wenn eingewanderte Frauen aus islamischen Ländern hinter dem Tschador und der Burka verschwinden. Eine Politik, die die Achseln zuckt, wenn in der Wiener Vorstadt einander Dutzende Tschetschenen und Afghanen spitalsreif prügeln und stechen. Eine Politik, die zusieht, wie eine Wiener U-Bahn-Linie in die Hände von Drogendealern mit Migrationshintergrund gerät.
Man dürfe nicht Flüchtlinge, Terrorsympathisanten und Drogenhändler in einen Topf werfen, heißt es. Und das stimmt auch. Doch man darf nicht die Augen davor verschließen, dass die verschiedenen Phänomene miteinander in direkter Verbindung stehen. Entwurzelte in Flüchtlingslagern sind logischerweise anfällig für extremistische Botschaften. Illegale Zuwanderer aus Nordafrika ohne Chance auf Asyl sind logischerweise anfällig für die Idee, sich als Drogenkleinhändler über Wasser zu halten. Junge Menschen ohne Schulbildung und ohne Perspektiven sind logischerweise anfällig dafür, auf die schiefe Bahn zu geraten.
Wir können die Zeitbombe, die da tickt, nur entschärfen, wenn wir jene, die bei uns bleiben, mit Bildung, Jobs und einer Zukunftsperspektive versorgen. Wenn wir die Zugewanderten, statt sie mit der Mindestsicherung ruhigzustellen, in die Pflicht nehmen und Leistungen von ihnen verlangen – Arbeitsleistungen und Integrationsleistungen. Und wenn wir uns nicht nur heute um die Zugewanderten kümmern, sondern auch morgen und übermorgen um deren Kinder und Kindeskinder.
Es ist eine Aufgabe für mehrere Generationen, die die Völkerwanderung des vergangenen Herbstes an Europa stellt. Es ist noch nicht zu spät. Aber wir haben bereits sehr viel Zeit verloren.