Die schwarze Flagge fiel
Syrische Regierungstruppen haben den Terrormilizen des IS in Palmyra eine schwere Niederlage bereitet. Ob der Friedensprozess durch den Erfolg gefördert wird, ist fraglich.
LIMASSOL. Die syrische Armee hat am Ostersonntag das antike und moderne Palmyra zurückerobert und mit diesem Sieg den IS-Terrormilizen die schwerste Niederlage seit dem Verlust von Kobane vor 14 Monaten zugefügt. Während in der nordsyrischen Grenzstadt die amerikanische Luftwaffe den kurdischen Volksverteidigungsmilizen die notwendige Unterstützung leistete, waren es in Palmyra russische Kampfbomber, die die Stellungen des IS sturmreif geschossen hatten. „Erfolge wie in Palmyra wären ohne Russlands Hilfe unmöglich gewesen“, versicherte Syriens Präsident Baschar al-Assad seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin am Ostersonntag telefonisch.
Der Vollständigkeit halber hätte Assad auch die schiitischen Milizen aus dem Libanon, Iran, Irak und Afghanistan erwähnen sollen, die an der dieses Mal professionell vorbereiteten Offensive seiner Kampftruppen beteiligt gewesen waren. Sie brauchten genau 20 Tage, bis sie die Dschihadistenmiliz aus Palmyra vertrieben hatten. Dass sich die antike Wüstenstadt in einem „im Großen und Ganzen guten Zustand“befindet, wie der Direktor der syrischen Altertümerverwaltung, Maamum Abdulkarim, erfreut feststellte, hat mit der Lage der archäologischen Stätten zu tun. Mit Ausnahme der drei Tage lang umkämpften Mamluken-Festung Kal’at Ibn Ma’n liegen sie in einer weitläufigen, äußerst überschaubaren Ebene, die sich zum Bau von Verteidigungsstellungen überhaupt nicht eignet.
Diese hatte der IS in der Neustadt von Palmyra errichtet. Die zuvor evakuierten Wohngebiete wurden von der syrischen Artillerie großflächig bombardiert. Im Mai letzten Jahres hatten die Terrormilizen Palmyra erobert und bald darauf die Welt mit der Ermordung des ChefArchäologen Khaled Asaad, der Zerstörung zweier bedeutender Tempel, eines filigranen Triumphbogens – der 2000 Jahre überdauert hatte – sowie der weltberühmten Löwenstatue geschockt. Deren Einzelteile könnten nach Erkenntnissen syrischer Archäologen wieder zusammengefügt werden. Auch der Tempel des Baal soll mit internationaler Hilfe rekonstruiert werden.
Voraussetzung dafür ist allerdings die vollständige Vernichtung des IS und eine Friedenslösung in Syrien. Beide Ziele liegen – auch nach der Wiedereroberung von Palmyra – in weiter Ferne. Denn noch ist nicht absehbar, wie die unberechenbare Dschihadistenmiliz ihre schwere militärische und auch propagandistische Niederlage verarbeiten wird. Militärexperten in Beirut erwarten, dass der IS neben Palmyra auch die syrische Wüste bis zur irakischen Grenzprovinz Anbar verlieren und damit weitere 14 Prozent seines in Syrien gehaltenen Territoriums einbüßen wird.
Die geschlagenen Kämpfer der Terrorgruppe haben sich inzwischen nach Deir ez-Zor im Osten sowie in die „Kalifatshauptstadt“Rakka in Zentralsyrien zurückgezogen und Vergeltungsaktionen angekündigt. Die beiden Großstädte werden von syrischen Staatspropagandisten auch als Ziele neuer Offensiven genannt. Das mit militärischen Fragen befasste Webportal „Masdar News“rechnet dagegen mit einem Angriff auf die einst von assyrischen Christen bewohnte Stadt al Quratayn, die westlich von Palmyra liegt und vom IS noch schwieriger zu verteidigen sei.
Für Syriens Staatschef Assad ist der Erfolg in Palmyra der Beweis dafür, dass seine mit Russland abgestimmte Kriegsführung die „effektivste Strategie im Krieg gegen den Terrorismus“ist.