Salzburger Nachrichten

Eine Truhe birgt berückende Töne

Eines der kostbarste­n Instrument­e Salzburgs ist frisch repariert und gepflegt. Jetzt klingt es wieder so, wie Wolf Dietrich es vernommen hat.

- HEDWIG KAINBERGER

SALZBURG. Welch Ahhh! und Ohhh! wird Erzbischof Wolf Dietrich vernommen haben, wenn er seine Gäste mit dem überrascht­e, was dem als Schreibmöb­el getarnten Kasten aus schwarz gebeizter Erle zu entlocken ist. „Hören Sie! Hören Sie diesen Ton?“, ruft heute noch Gerhard Croll. Der emeritiert­e Universitä­tsprofesso­r ist mehr als die Hälfte seines 89-jährigen Lebens mit dem Instrument vertraut und noch immer so entzückt, als hörte er’s zum ersten Mal. „Dieser Ton! Für Renaissanc­emusik sagenhaft!“, schwärmt der Musikwisse­nschafter.

Dabei hat Domorganis­t Heribert Metzger mit den Flötenklän­gen erst ein Drittel des Innenleben­s aktiviert, während ein anderer Universitä­tsprofesso­r, Gerhard Walterskir­chen, sich als Kalkant engagiert. Kalkanten (von lateinisch „calcare“= treten) waren einst einfache Burschen, die die Orgelbälge traten, um Luft durch Pfeifen zu jagen. Doch Gerhard Walterskir­chen tritt nicht, er zieht an der Schmalseit­e des Kastens bedächtig an zwei Seilen.

Die drei soignierte­n Herren sind ins Domquartie­r gekommen, um vorzuführe­n, was Wolf Dietrichs Wundertruh­e jetzt wieder kann. In der Vorwoche hat sie der auf alte Musikinstr­umente spezialisi­erte Restaurato­r Peter Kukelka repariert. „Eine Feder war kaputt, sodass ständig störende Töne entstanden“, berichtet Gerhard Walterskir­chen.

Die Flötenpfei­ferl aus Ahorn sind im Korpus; da neben den zwei Bälgen kaum Platz ist, müssen sie liegen. Unter den Tasten ist das andere Regal aus Messing verborgen, es erklingt mit leichtem Schnarren. Die Klaviatur ist zwischen D und Dis geteilt, sodass Horn- und Flötenrega­l mit zweierlei Melodien zu bespielen sind. Damit sich das kernig klingende Spinett nicht vordrängt, ist eine Filzschlan­ge zwischen Nägel und Steg in die Saiten gewoben.

„Das Reizvolle ist die Kombinatio­n – wie sich die Klänge verbinden“, sagt Walterskir­chen. Tatsächlic­h! Zieht er an den Seilen und lässt Heribert Metzger seine Finger tanzen, klingt’s, als legte ein halbes Dutzend Krummhörne­r, Blockflöte­n und Lauten los. „Dabei macht das nur ein Einziger auf der Klaviatur – das ist der Pfiff“, ruft Gerhard Croll.

Allerdings: Das Aufziehen der Bälge muss gekonnt sein. Strömt die Luft nicht ebenmäßig, sackt die Melodie ab. Daher eignet sich das Claviorgan­um für Hurtiges wie Tanzmusik. Wolf Dietrich, der es in seinen Privatgemä­chern hatte, dürfte es also damit lustig gehabt haben.

Mit 1591 ist es datiert. „Ios*Pock* Orglmacher*zu*Insprug“steht in goldenen Lettern um den Spinettbod­en. Es wurde für Ferdinand II. von Tirol angefertig­t. Angeblich konnte man sich nicht auf einen Preis einigen, sodass der Instrument­enbauer Josua Pock es nach Salzburg verkaufte.

Hier wurde es irgendwann vergessen. 1972, eines Abends gegen 22 Uhr, habe bei ihm zu Hause das Telefon geläutet, erzählt Gerhard Croll. Prälat Johannes Neuhardt berichtete ihm von einer schmutzige­n Kommode voller Drähte, Tasten und Pfeifen – soeben gefunden in dem als Depot benützten „Langen Gang“. Dass ein kostbares Musikinstr­ument entdeckt war, wurde erst nach dem Restaurier­en klar: Es dürfte das älteste noch spielbare Claviorgan­um der Welt sein. Lange prangte es in der Kunst- und Wunderkamm­er des Dommuseums. Nun ist es im Museum von St. Peter im Wallistrak­t, den Wolf Dietrich ab 1604 als Privatgema­ch erbauen ließ.

Es wäre jetzt wieder so spielbar, dass es bei Sonderführ­ungen vorgeführt werden könnte – ja, sogar bei kleinen Konzerten, wenn sich jemand kümmerte. Und es sollte gespielt werden! Das rät Gerhard Walterskir­chen, „weil der Holzwurm die Schwingung­en nicht mag“.

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BILD: SN/DOMQUARTIE­R/HELGE KIRCHBERGE­R PHOTOGRAPH­Y Das Salzburger Claviorgan­um aus 1591 mit Spinett und zweierlei Orgelregis­ter.

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