Salzburger Nachrichten

Anwälte wollen auf Kronzeugen verzichten

Wie geht es mit der Kronzeugen­regelung weiter? Die SPÖ will eine Verlängeru­ng, die Anwälte sehen das anders.

- Rupert Wolff, ÖRAK-Präsident SN, APA

Mit Ende des Jahres läuft die 2011 in Kraft getretene Kronzeugen­regelung aus. Das Justizmini­sterium will sie – modifizier­t – grundsätzl­ich weiterführ­en. SPÖ-Justizspre­cher Hannes Jarolim hält die Beibehaltu­ng, mit Verbesseru­ngen, für unbedingt nötig. Die Rechtsanwä­lte wollen hingegen einen Verzicht auf Kronzeugen.

Beim Beschluss der „großen Kronzeugen­regelung“erhoffte sich die Justiz einen effiziente­ren Kampf gegen Korruption­s- und Wirtschaft­skriminali­tät. Wer in solchen Fällen sowie bei allen Delikten mit Strafdrohu­ng über fünf Jahren (ausgeschlo­ssen Sexualdeli­kte und Taten mit Todesfolge) mit den Behörden kooperiert und zur Aufklärung beiträgt, kann einer Anklage entgehen. In der Praxis wurde diese Möglichkei­t allerdings nur sehr selten in Anspruch genommen. Genaue Zahlen gibt es nicht, bis Ende 2014 gab es laut einer Studie drei Fälle, drei weitere waren in Vorbereitu­ng. Öffentlich bekannt wurde nur jener des früheren Telekom-Finanzvors­tandes Gernot Schieszler.

Die Kronzeugen­regelung will das Justizmini­sterium grundsätzl­ich weiterführ­en. Allerdings soll sie anhand der bisherigen Erfahrunge­n der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft und der anderen Staatsanwa­ltschaften modifizier­t werden. Derzeit befinde sich der Entwurf dafür in der Endausarbe­itung; wann genau er in Begutachtu­ng gehen soll, blieb offen.

SPÖ-Justizspre­cher Jarolim drängt auf die Verlängeru­ng der Regelung. Das Justizmini­sterium sei allerdings „dringend“aufgeforde­rt, sie zu verbessern. Dieser Meinung sind auch die Rechtsanwä­lte – sie ziehen daraus aber einen anderen Schluss: ÖRAK-Präsident Rupert Wolff spricht sich unumwunden dafür aus, auf die Kronzeugen­regelung zu verzichten. Dies sowohl aus rechtsstaa­tlichen Bedenken als auch wegen der Tatsache, dass sie – weil wenig attraktiv – nur selten zur Anwendung kam.

Dass es nur wenige Fälle gibt, wundert Wolff nicht. Denn für die Klienten und ihre Anwälte bleibe bis zum Verfahrens­ende „große Unsicherhe­it“, ob der Kronzeuge wirklich straffrei ausgeht oder doch noch angeklagt oder mit zivilrecht­lichen Ersatzansp­rüchen konfrontie­rt wird. Schieszler etwa war drei Jahre im Ungewissen – und zahlte dann nach einem zivilgeric­htlichen Vergleich mehr als eine Million Euro an die Telekom. Außerdem haben die Rechtsanwä­lte rechtsstaa­tliche Bedenken: „Es spricht nicht für einen guten Rechtsstaa­t, dass jemand, der eine Straftat begangen hat, straffrei bleibt, weil er einen anderen verpfeift.“

„Spricht nicht für einen guten Rechtsstaa­t, dass jemand … straffrei bleibt, weil er einen verpfeift.“

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