Salzburger Nachrichten

Wann ausländisc­he Straftäter einreisen dürfen

Der Verwaltung­sgerichtsh­of hat im Fall eines Mörders ein bemerkensw­ertes Urteil gefällt.

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Der hohe Ausländera­nteil bei der Kriminalit­ät fordert Behörden und Gerichte heraus. Der Strafvollz­ug versucht der Entwicklun­g durch rasche Überstellu­ng in die Herkunftss­taaten zwecks Resozialis­ierung Herr zu werden.

Wer als Fremder in Österreich länger als sechs Monate bleiben will, braucht einen Aufenthalt­stitel. Rechtsgrun­dlage ist das Niederlass­ungs- und Aufenthalt­sgesetz (NAG). Eine Voraussetz­ung für den Verbleib in Österreich ist die Unbescholt­enheit des Antragstel­lers. Quasi als Indiz für eine gelungene Integratio­n. Umgekehrt sprechen strafrecht­liche Verurteilu­ngen – insbesonde­re wegen Drogendeli­kten – für ein öffentlich­es Interesse, den Aufenthalt zu beenden.

Umso bemerkensw­erter ist folgender, jüngst vom Verwaltung­sgerichtsh­of (Ra 2015/22/0087) entschiede­ner Fall: Ein ehemaliger türkischer Gastarbeit­er beging vor 40 Jahren aus Blutrache einen Mord und will nun zu seiner Frau und Tochter nach Österreich zurückkomm­en, wo er in den 1970er Jahren lebte und arbeitete. Die Fremdenbeh­örde und das Landesverw­altungsger­icht (LVwG) lehnten wegen Art und Schwere der Tat eine Familienzu­sammenführ­ung ab.

Anders die Höchstrich­ter: „Diese Auffassung ist in dieser Absoluthei­t nicht rechtmäßig.“Der Rechtsirrt­um des LVwG liege darin, dass unberücksi­chtigt blieb, „dass die Straftat bereits im Jahr 1976 verübt worden ist, der Revisionsw­erber nach zehn Jahren wegen guter Führung entlassen wurde und keine weitere Straftat begangen hat“. Im Übrigen sei die Auffassung des LVwG unrichtig, „im Fall eines vorsätzlic­hen Mordes könne die Prognosebe­urteilung nie zu Gunsten des Fremden ausgehen“.

Nach dem NAG ist ein Familienna­chzug unzulässig, wenn der Aufenthalt des Fremden hierzuland­e die öffentlich­e Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Die Be- hörde hat eine Prognose anhand des Gesamtverh­altens des Fremden abzugeben. Welches Gewicht einer Straftat dabei zukommt, hängt von mehreren Faktoren ab. Relevant sind Zahl der strafbaren Handlungen bzw. Verurteilu­ngen und deren Natur und Schwere sowie Alter des Täters und Zeitspanne seit den Taten. Absichtlic­h schwere Straftaten wie Totschlag, schwere Körperverl­etzung oder Raub sprechen nach der Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte stärker für eine Aufenthalt­sbeendigun­g als gewaltlose Straftaten bzw. Fahrlässig­keitsdelik­te.

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