Den Helfern fällt der Abschied schwer
Nach einem Fest für alle Freiwilligen wird das Asyl-Transitquartier in Liefering vorerst dichtgemacht. Jetzt gibt es einen Hilfstransport.
Das mysteriöse schwarze Kleidungsstück sieht aus wie ein Strampelanzug für Erwachsene. Auf Brusthöhe ist ein riesiges Superman-Emblem zu sehen. Die 19-jährige Nicki Leitinger weiß, worum es sich handelt. „Das ist ein Jumpsuit. In der Schule haben sie den Einteiler auch an.“Für Flüchtlinge ist das exotische Stück aber ungeeignet, das ist der 18-jährigen Schülerin aus Piding klar. „Wir haben zum Spaß gesagt, dass wir das Superman-Kostüm künftig als Arbeitskleidung verwenden“, sagt Nicki.
Sie ist eine von vielen Helferinnen, die sich in diesen Tagen zum vorerst letzten Mal auf dem Gelände der ehemaligen Autobahnmeisterei in Salzburg-Liefering freiwillig für Flüchtlinge engagiert. Dass der Superman-Anzug tatsächlich zur Ausstattung der Helfer gehören wird, dagegen spricht außer dem unvorteilhaften Schnitt noch eine Tatsache: Das Asfinag-Gelände, das seit
im Bundesland Salzburg mittlerweile in Privatquartieren, das ist rund jeder fünfte. In der Stadt Salzburg ist es mit 568 sogar mehr als ein Drittel. Das gaben Landesrätin Martina Berthold und Landesrat Heinrich Schellhorn (beide Grüne) am Montag bekannt.
im Land Salzburg 181 organisierte Quartiere, in denen 4920 Asylbewerber leben, davon 4570 in Quartieren des Landes und 350 in Quartieren des Bundes. Derzeit wohnen in der Stadt Salzburg 1440 Asylbewerber, Mitte September als Notquartier für 350.000 durchreisende Flüchtlinge gedient hat, wird ab Dienstagabend zugesperrt sein. Derzeit sind Europas Grenzen für Flüchtlinge dicht, deshalb wird auch das Notquartier vorerst nicht mehr benötigt. Stadt und Land Salzburg haben ihre Einsatzleitung abgezogen, nur noch ein paar Wachmänner des Bundesheeres bleiben.
Die Helfer sind jetzt noch einmal zusammengekommen, um sich der vielen Sachspenden anzunehmen, die im Laufe der vergangenen Monate zusammengekommen sind. Die ehemalige Landesrätin Doraja Eberle hat über ihren Verein „Bauern helfen Bauern“gemeinsam mit allen auf im Flachgau 1250, im Pinzgau 880, im Pongau 690, im Tennengau 400 und im Lungau 230. Derzeit 550 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut. Zuletzt öffnete der Verein „Rettet das Kind“ein Quartier für 30 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in St. Gilgen. Seit 1. März können unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die älter als zwölf Jahre sind, auch von Gastfamilien aufgenommen werden. Diese erhalten professionelle Begleitung durch das SOS-Kinderdorf und einen Beitrag von 689 Euro im Monat. Info: dem Asfinag-Gelände tätigen Hilfsorganisationen damit einen Transport nach Griechenland auf die Beine gestellt. Auch sie ist jetzt hier und organisiert das Beladen der Paletten. „Packt nur ein, was ihr auch selbst annehmen würdet“, sagt sie zu einer Jugendlichen, die eine löchrige Strickjacke hochhält. Eberle ist es wichtig, dass die Spenden nicht ungenutzt bleiben. „Alles wurde zweckgebunden für Flüchtlinge gespendet. Jetzt kümmern wir uns darum, dass sie die Hilfe auch bekommen.“
Zudem erfüllt dieser Hilfstransport noch einen anderen Zweck: Das Beladen ist für die vielen Helfer ein gemeinsames Ritual nach der intensiven Zeit, die sie gerade durchlebt haben. Viele der Freiwilligen, die jetzt hier sind, haben in den vergangenen Monaten einen großen Teil ihrer Freizeit für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt.
Elke Vitzthum ist eine von ihnen. Sie steht in der Lagerhalle, in der die Helfer den Kindern die Zeit vertrieben. Die Wände sind mit Kinderzeichnungen beklebt, viele davon hat Vitzthum persönlich in die Hand bekommen. Sie habe fast nur positive Erinnerungen an diese Zeit, sagt sie. „Es war immer erstaunlich, wie schnell die Kinder ihre Erlebnisse der Flucht ausgeblendet haben und man sie mit ein bisschen Blödeln zum Lachen bringen konnte.“Ähnlich geht es Anna Matuschka. Sie sortiert jetzt Kleidung, wo sie vor Kurzem noch Flüchtlingsbabys gebadet hat. „Wenn ich danach die strahlenden Kinder in frischem Gewand gesehen habe, dann wusste ich, warum ich das mache.“
Solche Aussagen hört Doraja Eberle von vielen Helfern, die regelmäßig mit den Flüchtlingen gearbeitet haben. „Viele fallen nach dieser intensiven Zeit in ein
„ Viele Helfer fallen nach der intensiven Zeit in ein Loch.“
Loch“, sagt Doraja Eberle. „Jetzt gibt es noch einmal die Möglichkeit, das Erlebte gemeinsam zu verarbeiten.“
Viele hätten mit nach Griechenland kommen wollen, tatsächlich fährt aber nur eine kleine Gruppe von neun Personen. 66 Paletten mit 22 Tonnen Hilfsgütern werden am Mittwoch in Triest verschifft. Die Salzburger Helfer reisen am Donnerstag nach und kümmern sich in Griechenland um die Verteilung der Hilfsgüter. Für die anderen Freiwilligen wird es heute Abend noch ein großes Fest am AsfinagGelände geben. Ob danach auch für die Schülerin Nicki Leitinger wieder die Normalität des Alltags einkehrt, weiß sie nicht. Ihre Vorstellungen von Normalität hätten sich verändert, sagt sie. „Was ist schon normal?“