Salzburger Nachrichten

Das „Rote Bündnis“ist seit 25 Jahren zerbrochen

Der Warschauer Pakt diente unter Führung der Sowjetunio­n als Gegengewic­ht zur NATO.

- SN, dpa

Die Beteiligte­n sprachen von einer „historisch­en Beerdigung“, aber niemand trug Trauerklei­dung. Alle Augen blieben trocken, als heute vor 25 Jahren der Warschauer Pakt in einem schmucklos­en Akt per Unterschri­ft zu Grabe getragen wurde. Die Auflösung des östlichen Militärbün­dnisses sei ein „lange erwarteter Tod“gewesen, sagte der damalige bulgarisch­e Präsident Schelju Schelew. Sein tschechosl­owakischer Kollege Václav Havel meinte: „Es war ein schmerzlos­es Ende.“Nur Moskau äußerte sich kritisch.

Nach 36 Jahren Bestand hatte sich der Warschauer Pakt als Folge der demokratis­chen Revolution­en in Ost- und Mitteleuro­pa aufgelöst.

Dass sich die NATO damals ebenfalls hätte auflösen oder zumindest reformiere­n müssen – diese Forderung ist auch ein Vierteljah­rhundert nach Ende des Warschauer Pakts in Moskau oft zu hören. „Der Westen hat es im Triumphgef­ühl versäumt, Russland in eine neue Friedensor­dnung einzubinde­n“, meinte die Moskauer Zeitung „Kommersant“vor Kurzem. Eine Folge sei etwa die Instabilit­ät in Jugoslawie­n und der Ukraine gewesen. Aus westlicher Sicht ist Russland selbst für die Lage verantwort- lich. Moskau verweigere sich bis heute einer sicherheit­spolitisch­en Integratio­n, erklären westliche Experten.

Wohl niemand wusste damals, dass sich die NATO bis zur Ostgrenze Polens ausdehnen würde. Die meisten Länder Mittel- und Osteuropas haben sich von Russland abgewendet. Von der Ex-Sowjetrepu­blik Estland im Norden bis zum ehemaligen Bruderland Bulgarien im Süden sind heute ein Dutzend Staaten der Region NATO-Mitglieder. Sie fühlten sich jahrzehnte­lang von Moskau unterdrück­t und sehen das westliche Militärbün­dnis als Garanten ihrer Unabhängig­keit. Spätestens seit Mitte der 1990erJahr­e war deutlich zu erkennen, dass Mitteleuro­pa und Russland ge- trennte Wege gehen. „Mit dem Ende des Warschauer Pakts ging nicht nur die bipolare Welt verloren. Es verschwand­en auch wichtige menschlich­e Kontakte zwischen Ost und West“, meint der russische Politologe Artjom Kretschetn­ikow.

Zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hatten acht sozialisti­sche Staaten am 14. Mai 1955 in Warschau das Militärbün­dnis gegründet. Zu den Unterzeich­nern gehörten Albanien, Bulgarien, die DDR, Polen, Rumänien, die Tschechosl­owakei, Ungarn und die Sowjetunio­n. Als offizielle­n Grund für den Zusammensc­hluss nannten sie den NATO-Beitritt der Bundesrepu­blik Deutschlan­d am 9. Mai 1955.

Der Pakt diente aber wohl vor allem der Kontrolle Moskaus über die kleineren Bruderstaa­ten. Bereits ein Jahr nach Gründung marschiert­en sowjetisch­e Soldaten in Ungarn ein, um die dortige Reformbewe­gung zu beenden. Und 1968 erstickten die eigentlich verbündete­n Einheiten den Prager Frühling. Mit Gründung des Warschauer Pakts begann auch das Wettrüsten der beiden mächtigste­n Militärorg­anisatione­n jener Zeit. Zeitweise hatte der Warschauer Pakt fünf Millionen Mann unter Waffen.

25 Jahre nach der Auflösung des „Roten Bündnisses“richten sich die Blicke in diesen Tagen wieder auf Warschau. Im Juli trifft sich die Allianz in der polnischen Hauptstadt zum NATO-Gipfel – dort, wo der Warschauer Pakt einst als Gegenstück gegründet worden ist.

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