Obama lässt Erdogan abblitzen
Der türkische Präsident hoffte auf einen Empfang im Weißen Haus, doch diese Gunst wird ihm nicht erwiesen. Doch nicht nur das wurmt ihn.
Es liegt gar nicht so lange zurück, als Präsident Obama für Erdogan noch den roten Teppich ausrollte. Damals, im Mai 2013, empfing er den türkischen Regierungschef samt Familie zum Abendessen im Weißen Haus. Der türkische Gast hatte kurz zuvor historische Friedensverhandlungen mit den Kurden begonnen. Gleichzeitig versprach er, eine konstruktive Rolle im Syrien-Konflikt zu spielen.
Seitdem hat sich einiges in den Beziehungen zwischen Barack Obama und Recep Tayyip Erdogan geändert. Heute sieht der Präsident in dem türkischen Gast mehr einen Problemfall als einen Partner, auf den sich bauen ließe. Mit zunehmender Sorge verfolgt die US-Regierung das Vorgehen des türkischen Staatschefs gegen die Pressefreiheit, die kurdische Minderheit und sein Taktieren in Syrien. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen des Sprechers des Weißen Hauses, Josh Earnest, werten Analysten die Nichteinladung Erdogans zu einer formellen Begegnung mit dem Präsidenten als Brüskierung.
Die Wende in dem Verhältnis kam weniger als zwei Wochen nach der Rückkehr Erdogans von seiner Mai-Visite in Washington, als er die Proteste im Gezi-Park niederschlagen ließ. Die Beziehungen zu Washington verschlechterten sich wei- ter wegen der unterschiedlichen Strategien der NATO-Partner in Syrien. Während Obama den Kampf gegen den „Islamischen Staat“zur Priorität machte, insistierte Erdogan darauf, es müsse zunächst darum gehen, den syrischen Diktator Baschar al-Assad von der Macht zu entfernen.
Darüber hinaus wurmt Ankara die enge militärische Kooperation der Amerikaner mit den syrischen Kurden. Aus türkischer Sicht ist die Democratic Union Party (PYD) nichts anderes als der verlängerte Arm der kurdischen Separatisten PKK in der Türkei. Zuletzt sorgten das Vorgehen Erdogans gegen die größte türkische Zeitung „Zaman“und der Schauprozess gegen die Journalisten Can Dundar and Erdem Gul von der Zeitung „Cumhuriyet“für massive Verstimmungen.
Erdogan reist diese Woche wie mehrere weitere Staatschefs zu einem Gipfel über nukleare Sicherheit in die US-Hauptstadt. Das Thema Pressefreiheit wird ganz oben auf der Liste der Themen stehen, die Vizepräsident Biden bei seinem Treffen mit Erdogan ansprechen will. Wie viel Zeit Obama für den in Ungnade gefallenen Gast am Rande des Nuclear Security Summit finden wird, blieb offen. „Irgendwann wird sich bestimmt eine Gelegenheit ergeben“, meint Sprecher Earnest.