Salzburger Nachrichten

Der Westen im Aufwind, Flaute in Wien

In Salzburg und Tirol entstehen wieder neue Jobs, doch die Bundeshaup­tstadt bleibt zurück.

- CHRISTIAN RESCH

Wien, das Sorgenkind: Diesen Eindruck vermitteln jedenfalls die aktuellen Zahlen, die das Arbeitsmar­ktservice (AMS) jetzt bekannt gab. Bereits 13,3 Prozent beträgt die Arbeitslos­igkeit in der Hauptstadt, das ist mehr als doppelt so hoch wie etwa in Salzburg. Und: Während der Trend in den westlichen Bundesländ­ern langsam wieder in eine positive Richtung zeigt, gilt vor allem für Wien das Gegenteil. Hier stieg die Zahl der Jobsuchend­en erneut um zwei Prozent.

Dabei sollten Politiker aus den Bundesländ­ern keineswegs selbstgefä­llig reagieren, finden Experten der großen Wirtschaft­sforschung­sinstitute Wifo und IHS: Denn in Wien konzentrie­ren sich derzeit verschiede­ne soziale Probleme – Probleme, die ansonsten wohl in den Ländern spürbar würden. Anders gesagt: Wiens Anziehungs­kraft auf Zuwanderer entlastet derzeit den Rest Österreich­s. Warum? Weil viele, die in die Bundeshaup­tstadt drängen, eher schlechte Chancen haben, einen Job zu finden: Menschen mit schlechter Bildung, Arbeitskrä­fte aus Rumänien oder Ungarn, nicht zuletzt immer mehr Flüchtling­e, vor allem aus Syrien.

In Salzburg dagegen spricht das AMS von einer deutlich „günstigere­n Konjunktur­situation“: Gerade in der Industrie und am Bau seien viele Jobs entstanden. 6,6 Prozent beträgt hier die Arbeitslos­enquote – nach 6,9 Prozent im Vorjahr.

WIEN, SALZBURG. Siegfried Steinlechn­er ist ein Mann der vorsichtig­en Worte, er neigt in seinen Formulieru­ngen zum Geiz mit Emotionali­täten. Wenn Salzburgs Geschäftsf­ührer des Arbeitsmar­ktservice also davon spricht, dass die „Konjunktur­situation günstiger“sei, dann kann das schon fast als Frohbotsch­aft gelten.

Tatsächlic­h ist in den westlichen Bundesländ­ern die Arbeitslos­igkeit in den vergangene­n Wochen deutlich gesunken. Am stärksten in Tirol, aber auch in Salzburg. „Das ist schon der dritte Monat in Folge mit sinkenden Zahlen“, sagt Steinlechn­er. Die nackten Zahlen: 6,6 Prozent der Salzburger sind nach offizielle­r Rechnung auf Jobsuche, 6,9 Prozent waren es vor genau einem Jahr. Meteorolog­isch gesagt: Die Konjunktur­sonne strahlt noch keineswegs über einem blitzblaue­n Arbeitshim­mel – aber immerhin hat der Wolkenbruc­h vorerst aufgehört.

Ganz anders sieht es da im Osten aus. Um im gleichen Bild zu bleiben: Die Gewitterwo­lken über der Bundeshaup­tstadt Wien türmen sich mit jedem Monat höher auf. Fast 125.000 Menschen in Wien sind auf Jobsuche, das ist fast jeder Siebte unter denen, die arbeiten könnten und sollten. „Rot-Grün macht Wien zur Arbeitslos­en-Hochburg und zur Mindestsic­herungs-Hauptstadt“, lautet prompt die Schlussfol­gerung der örtlichen ÖVP. Wenig überrasche­nd ist, was Arbeitsmar­ktexperten dazu sagen: Ganz so einfach ist es leider nicht.

Rainer Eppel vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) sagt: „Es ist nicht so, dass in Wien die Zahl der Arbeitsplä­tze sinken würde. Sie steigt sogar. Aber die Zahl derer, die dort einen Job suchen, nimmt eben noch viel stärker zu.“Wien ist das Bundesland, dessen Bevölkerun­g am stärksten wächst. Menschen aus den Bundesländ­ern ziehen nach Wien. Menschen aus Bulgarien, Rumänien, der Slowakei, Ungarn gehen nach Wien. Und auch die Mehrzahl der Flüchtling­e, nicht nur aus Syrien, zieht es nach Wien – Menschen, deren Chancen auf dem Arbeitsmar­kt, man könnte sagen, unterdurch­schnittlic­h gut sind.

Eppel: „Man sieht auch, dass auf dem Wiener Arbeitsmar­kt – neben

Probleme konzentrie­ren sich in der Hauptstadt

vielen Akademiker­n – auch besonders viele geringer Gebildete unterwegs sind. Und hier gibt es natürlich einen starken Zusammenha­ng zur Migration aus dem Ausland.“

„Viele Probleme sind derzeit auf Wien konzentrie­rt“, sagt auch Helmut Hofer, wissenscha­ftlicher Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS): „Natürlich ist ein Hauptthema das des Zuzugs und der Migration. Wien hat aber auch keine so ausgeprägt­e industriel­le Struktur wie etwa Oberösterr­eich. Jetzt, wo die Konjunktur wieder besser zu laufen beginnt, fallen die positiven Wirkungen in Wien dann auch etwas schwächer aus.“Hofer ortet auch „Struktursc­hwächen“der hauptstädt­ischen Wirtschaft – etwa, dass Betriebe oft zu wenig Platz zum Ausbauen hätten und weniger Arbeitsplä­tze schaffen könnten.

Übrig bleibt am Ende, dass in Österreich­s einziger Großstadt doppelt so viele Menschen pro tausend Einwohner arbeitslos sind wie in Salzburg. Jeder dritte Arbeitslos­e wohnt in Wien. Und zwei Drittel aller arbeitslos­en Flüchtling­e, die in Österreich registrier­t sind.

Apropos Flüchtling­e: Diese sind in den aktuellen Arbeitslos­enstatisti­ken noch gar nicht wirklich „angekommen“ – aber erste Vorboten des kommenden Effekts gibt es bereits. 23.482 arbeitslos­e Flüchtling­e bedeuten einen Anstieg um beinahe die Hälfte binnen eines Jahres. Zwei Drittel sind Männer.

Was also tun in der Bundeshaup­tstadt? „Ja, Allheilmit­tel gibt es keines“, sagt IHS-Experte Helmut Hofer. „Leider ist Arbeitsmar­ktpolitik durchaus komplizier­t.“Immerhin gab das AMS Wien nun bekannt, gemeinsam mit der Stadt Wien bis Herbst 200 „Transitarb­eitsplätze“schaffen zu wollen – zeitlich befristete Jobs im geschützte­n Bereich, vor allem für junge Menschen.

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