Der Westen im Aufwind, Flaute in Wien
In Salzburg und Tirol entstehen wieder neue Jobs, doch die Bundeshauptstadt bleibt zurück.
Wien, das Sorgenkind: Diesen Eindruck vermitteln jedenfalls die aktuellen Zahlen, die das Arbeitsmarktservice (AMS) jetzt bekannt gab. Bereits 13,3 Prozent beträgt die Arbeitslosigkeit in der Hauptstadt, das ist mehr als doppelt so hoch wie etwa in Salzburg. Und: Während der Trend in den westlichen Bundesländern langsam wieder in eine positive Richtung zeigt, gilt vor allem für Wien das Gegenteil. Hier stieg die Zahl der Jobsuchenden erneut um zwei Prozent.
Dabei sollten Politiker aus den Bundesländern keineswegs selbstgefällig reagieren, finden Experten der großen Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS: Denn in Wien konzentrieren sich derzeit verschiedene soziale Probleme – Probleme, die ansonsten wohl in den Ländern spürbar würden. Anders gesagt: Wiens Anziehungskraft auf Zuwanderer entlastet derzeit den Rest Österreichs. Warum? Weil viele, die in die Bundeshauptstadt drängen, eher schlechte Chancen haben, einen Job zu finden: Menschen mit schlechter Bildung, Arbeitskräfte aus Rumänien oder Ungarn, nicht zuletzt immer mehr Flüchtlinge, vor allem aus Syrien.
In Salzburg dagegen spricht das AMS von einer deutlich „günstigeren Konjunktursituation“: Gerade in der Industrie und am Bau seien viele Jobs entstanden. 6,6 Prozent beträgt hier die Arbeitslosenquote – nach 6,9 Prozent im Vorjahr.
WIEN, SALZBURG. Siegfried Steinlechner ist ein Mann der vorsichtigen Worte, er neigt in seinen Formulierungen zum Geiz mit Emotionalitäten. Wenn Salzburgs Geschäftsführer des Arbeitsmarktservice also davon spricht, dass die „Konjunktursituation günstiger“sei, dann kann das schon fast als Frohbotschaft gelten.
Tatsächlich ist in den westlichen Bundesländern die Arbeitslosigkeit in den vergangenen Wochen deutlich gesunken. Am stärksten in Tirol, aber auch in Salzburg. „Das ist schon der dritte Monat in Folge mit sinkenden Zahlen“, sagt Steinlechner. Die nackten Zahlen: 6,6 Prozent der Salzburger sind nach offizieller Rechnung auf Jobsuche, 6,9 Prozent waren es vor genau einem Jahr. Meteorologisch gesagt: Die Konjunktursonne strahlt noch keineswegs über einem blitzblauen Arbeitshimmel – aber immerhin hat der Wolkenbruch vorerst aufgehört.
Ganz anders sieht es da im Osten aus. Um im gleichen Bild zu bleiben: Die Gewitterwolken über der Bundeshauptstadt Wien türmen sich mit jedem Monat höher auf. Fast 125.000 Menschen in Wien sind auf Jobsuche, das ist fast jeder Siebte unter denen, die arbeiten könnten und sollten. „Rot-Grün macht Wien zur Arbeitslosen-Hochburg und zur Mindestsicherungs-Hauptstadt“, lautet prompt die Schlussfolgerung der örtlichen ÖVP. Wenig überraschend ist, was Arbeitsmarktexperten dazu sagen: Ganz so einfach ist es leider nicht.
Rainer Eppel vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) sagt: „Es ist nicht so, dass in Wien die Zahl der Arbeitsplätze sinken würde. Sie steigt sogar. Aber die Zahl derer, die dort einen Job suchen, nimmt eben noch viel stärker zu.“Wien ist das Bundesland, dessen Bevölkerung am stärksten wächst. Menschen aus den Bundesländern ziehen nach Wien. Menschen aus Bulgarien, Rumänien, der Slowakei, Ungarn gehen nach Wien. Und auch die Mehrzahl der Flüchtlinge, nicht nur aus Syrien, zieht es nach Wien – Menschen, deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt, man könnte sagen, unterdurchschnittlich gut sind.
Eppel: „Man sieht auch, dass auf dem Wiener Arbeitsmarkt – neben
Probleme konzentrieren sich in der Hauptstadt
vielen Akademikern – auch besonders viele geringer Gebildete unterwegs sind. Und hier gibt es natürlich einen starken Zusammenhang zur Migration aus dem Ausland.“
„Viele Probleme sind derzeit auf Wien konzentriert“, sagt auch Helmut Hofer, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS): „Natürlich ist ein Hauptthema das des Zuzugs und der Migration. Wien hat aber auch keine so ausgeprägte industrielle Struktur wie etwa Oberösterreich. Jetzt, wo die Konjunktur wieder besser zu laufen beginnt, fallen die positiven Wirkungen in Wien dann auch etwas schwächer aus.“Hofer ortet auch „Strukturschwächen“der hauptstädtischen Wirtschaft – etwa, dass Betriebe oft zu wenig Platz zum Ausbauen hätten und weniger Arbeitsplätze schaffen könnten.
Übrig bleibt am Ende, dass in Österreichs einziger Großstadt doppelt so viele Menschen pro tausend Einwohner arbeitslos sind wie in Salzburg. Jeder dritte Arbeitslose wohnt in Wien. Und zwei Drittel aller arbeitslosen Flüchtlinge, die in Österreich registriert sind.
Apropos Flüchtlinge: Diese sind in den aktuellen Arbeitslosenstatistiken noch gar nicht wirklich „angekommen“ – aber erste Vorboten des kommenden Effekts gibt es bereits. 23.482 arbeitslose Flüchtlinge bedeuten einen Anstieg um beinahe die Hälfte binnen eines Jahres. Zwei Drittel sind Männer.
Was also tun in der Bundeshauptstadt? „Ja, Allheilmittel gibt es keines“, sagt IHS-Experte Helmut Hofer. „Leider ist Arbeitsmarktpolitik durchaus kompliziert.“Immerhin gab das AMS Wien nun bekannt, gemeinsam mit der Stadt Wien bis Herbst 200 „Transitarbeitsplätze“schaffen zu wollen – zeitlich befristete Jobs im geschützten Bereich, vor allem für junge Menschen.