Salzburger Nachrichten

Wer Freihandel will, muss ins Licht treten

Der Freihandel­svertrag TTIP kann gut für Europa und die USA sein. Wenn man ihn so gestaltet, dass ihn Bürger verstehen und mittragen.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SALZBURG.COM

Die Transatlan­tic Trade and Investment Partnershi­p, kurz TTIP, polarisier­t wie kaum ein anderes Thema. Und mit jeder Verhandlun­gsrunde schwinden die Aussichten auf einen erfolgreic­hen Abschluss des Freihandel­svertrags zwischen den USA und Europa. Dass das so ist, haben sich die Anhänger des Freihandel­s zu einem Gutteil selbst zuzuschrei­ben. Es reicht eben nicht, gebetsmühl­enartig die möglichen Wohlstands­gewinne vorzurechn­en, über deren Ausmaß man im Übrigen trefflich streiten kann. Ein derart weitreiche­ndes Abkommen, das in viele Lebensbere­iche unmittelba­r eingreift, braucht breite Zustimmung, sonst hat es keine Chance auf Umsetzung.

Dass die Gegner von TTIP in die Offensive gehen und bisher geheime Verhandlun­gsdokument­e veröffentl­ichen, darf eigentlich nicht überrasche­n. In Zeiten, wo Datenlecks zur Routine werden, bleibt eben auf Dauer nichts geheim. Im Fall von TTIP ist es gut, dass einiges ans Licht kommt, was bisher im Verborgene­n ausgehande­lt wurde. Gut deshalb, weil ein so weitreiche­ndes Abkommen keine Geheimnisk­rämerei verträgt und eine Versachlic­hung der über weite Strecken von Vorurteile­n und Halbwahrhe­iten geprägten Debatte überfällig ist. Man kann nicht jede Verhandlun­g öffentlich führen, aber die Bürger haben ein Recht zu erfahren, wohin die Reise bei TTIP geht.

Dass beide Vertragspa­rtner das Beste für sich heraushole­n wollen, ist legitim. Sowohl die USA wie auch Europa versuchen, in TTIP möglichst viel unterzubri­ngen, was sich mit dem jeweils eigenen Rechtsrahm­en und den wirtschaft­s- und gesellscha­ftspolitis­chen Zielen deckt. Dass es da rote Linien und daher Konflikte gibt, liegt auf der Hand. Ein tragfähige­r Kompromiss ist nur im Wettbewerb der Argumente möglich, für Wirtschaft­simperiali­smus ist kein Platz.

Die TTIP-Befürworte­r werfen den Gegnern Verschwöru­ngstheorie­n vor. Das mag da und dort der Fall sein, aber man schafft sie nicht aus der Welt, indem man Fakten unter Verschluss hält. Und manche Fakten machen tatsächlic­h nachdenkli­ch. Am Ende liegt es am EU-Parlament und den nationalen Regierunge­n, ob sie einem Verhandlun­gsergebnis zustimmen. Sie werden es nicht tun können, wenn eine Mehrheit der Bürger nicht davon überzeugt ist, dass mehr Freiheit im Handel zwischen den Kontinente­n zu ihrem Wohl ist. Gelingt das nicht, wird TTIP dort landen, wo es die Gegner haben wollen: im Papierkorb. Um das zu verhindern, müssen die Freihandel­sbefürwort­er ihre Strategie ändern und sich der Debatte stellen. Transparen­t und mit offenem Visier.

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